Amman (Amann), Jakob

geb. Anfang Februar 1644, getauft am 12. Februar 1644 in Erlenbach (Simmenthal), Schweiz, gest. vor 1730 vermutlich im Elsass, Frankreich; Ältester und Begründer der Amischen.

Die →Amischen, ein konservativer Zweig der Schweizer Täufer, sind nach ihm benannt worden. Jakob Amman wurde als drittes Kind von Michael Amman und Anna Rupp geboren. Die Familie zog nach Oberhofen auf die andere Seite des Thuner Sees. Diese Lebensphase der Familie und des heranwachsenden Jakob Amman ist nur spärlich dokumentiert. Bekannt ist, dass er Verena Stüdler heiratete und sie mehrere Kinder miteinander hatten. Doch weder für die Eheschließung noch für die Taufen der Kinder in der reformierten Kirche konnten Dokumente gefunden werden. Jakob Amman stand mit Täufern aus dem Berner Oberland in Kontakt. Vermutlich nahm er 1680 deren täuferischen Glauben an. Mehrmals musste er vor dem Chorgericht erscheinen, dann beschloss er wegzuziehen.

Dreizehn Jahre später taucht er in den Quellen wieder auf – inzwischen als Ältester einer Täufergemeinde im Elsass. Wahrscheinlich hatte er sich schon 1680 dorthin begeben. Viele Flüchtlinge aus dem Kanton Zürich waren im Elsass, das französisch war, schon vorher aufgenommen worden. Dort wurde das Täufertum toleriert, wie es die Verabschiedung des Dordrechter Bekenntnisses 1660 in der Mühle von Ohnenheim bezeugt. Es könnte sein, dass Jakob Amman zuerst in der Rheinebene bei Heidolsheim war, dort starb nämlich 1695 sein Vater. Er und seine Mitstreiter (Hans Bachmann, Jacob Kleiner, Félix Hägi), die große Höfe der Familie Rappolstein (Ribeaupierre) bewirtschafteten, trafen auf ein autochtones, im lokalen Bürgertum verankertes Täufertum, das in ein reformiertes, ihm wohlgesonnenes Milieu integriert war. Dieses lokale Täufertum ging auf das 16. Jahrhundert zurück. In diesem Rahmen bildete Amman seine Vorstellungen von einer strengeren Gemeindezucht und der strikten Meidung der Gebannten aus. Sein Beruf als Schneidermeister hatte ihn zu einer einheitlichen Bekleidung der Gemeindeglieder inspiriert und sollte den schlichten Glauben widerspiegeln. Das Abendmahl sollte zwei Mal im Jahr mit vorausgehender Fußwaschung als Zeichen der Demut gegeneinander gefeiert werden. Der Akzent wurde auf die Praxis des Glaubens gelegt, die sich vom Verhalten der „Welt“ deutlich unterschied.

Auf mehreren seelsorgerlichen Reisen durch die Schweiz versuchte er schon ab 1693, die Berner Täufergemeinden von seinem Standpunkt zu überzeugen. Das Treffen mit den Ältesten des Emmentals, deren Hauptvertreter Hans Reist war, und mit den Ältesten aus dem Aargau war stürmisch und endete in einer gegenseitigen Exkommunikation, die auch die Täufergruppen in der Pfalz in Mitleidenschaft zog. Die Trennung zwischen den zwei „Völkern“ war vollzogen, und das Schisma ließ sich trotz verschiedener Versöhnungsversuche nicht mehr rückgängig machen. Als die Berner Behörden erfuhren, dass Jakob Amman im Lande sei, setzten sie eine Belohnung auf seinen Kopf aus. Er wurde im Juli 1694 in Walkringen verhaftet und ins Gefängnis geworfen, doch kurz darauf ließ ihn der Vogt von Thorberg, der seine Macht gegenüber anderen Behörden demonstrieren wollte, befreien.

In Steffisburg fand Amman am meisten Gehör. Er konnte etwa sechzig Berner Täuferfamilien überzeugen, in das Markircher Tal, wo sie willkommen waren, zu ziehen. Sie bildeten die erste Gruppe der „neuen Gemeinde der Wiedertäufer“, auch „Jacob Ammans Partie“ genannt. Ammann selbst wohnte unten im Tal, in der Petite Lièpvre, hier bewohnten die „Schweizer“ die wichtigsten Höfe der Gegend. Dank einer außergewöhnlichen Wirtschaftsdynamik gehörte ihnen in wenigen Jahren ein Viertel des Tals. Alle wichtigen Geschäfte wurden in Gegenwart des „Patriarchen“ geschlossen – so wurde er von der Lokalbevölkerung genannt, seine Leute nannten ihn „den Amy“. Alle sozialen Belange wurden von ihm mit geregelt: der Weggang aus Steffisburg, die Befreiung gegen Gebühr von der Heimburgauflage und der Fronarbeit in Markirch, Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Gruppe oder mit den kirchlichen Behörden.

Dieses „goldene Zeitalter“ endete 1712 nach einer Rechtsintrige. Es gab eine Täufer-Abschiebeordnung, die deren weiteren Verbleib in Frankreich unmöglich machte. Ein letztes Mal handelte Jakob Amman vorteilhafte Bedingungen für den Abzug aus und sorgte dafür, dass jedes Gemeindemitglied ein ordentliches polizeiliches Führungszeugnis erhielt. Die Gemeinde verstreute sich in verschiedene Richtungen (in die Grafschaft von Mümpelgart, ins Breisgau, in die Pfalz, in die Grafschaft von Salm, nach Lothringen, ins Berner Jura).

Die Quellen schweigen darüber, wo Amman hinzog, nachdem er Markirch im Oktober 1712 verlassen hatte. Schweizer und Elsässer Quellen berichten, dass er vor 1730 vermutlich im Elsass oder im Breisgau gestorben ist. Es gibt einen umfangreichen Briefwechsel unter den ins Schisma verwickelten Parteien, keinen einzigen Brief hat Jakob Amman aber selbst geschrieben, denn er konnte nicht schreiben. Trotz seines Charismas, seiner rastlosen Tätigkeit und der Kraft seiner Überzeugungen wurde er in der nächsten Generationen vergessen, wohl aber blieben seine Prinzipien in Geltung. Ulrich Amman, der jüngere, 1662 in Oberhofen geborene Bruder Jakob Ammans wurde eine der maßgeblichen Leitfiguren dieser Gruppe, die später die „Amish“ genannt wurde.

Quellen

Isaac Zürcher, Briefsammlung zur Ammann-Reist Kontroverse,in: Informations-Blätter 10, Grosshöchstetten 1987. - John D. Roth (Hg.), Letters of the Amish Division: A Sourcebook, Mennonite Historical Society, Goshen, Ind., 2002.

Literatur

Robert Baecher, Raisons et déroulement du schisme amish, in: Les Amish: origine et particularismes 1693–1993. Actes du colloque de Sainte-Marie-aux-Mines 19–21 août 1993, hg. von Association Francaise d´Histoire Anabaptiste-Mennonite, Ingersheim 1996, 40–54. - Ders., Le « patriarche » de Sainte-Marie-aux-Mines, in : ebd., 55–71. - John S. Oyer, Is there an Amish Theology ? In: ebd., 278–302. - Hanspeter Jecker, Das Dordrechter Bekenntnis und die Amische Spaltung, in : ebd., 202–226. - Ders., Jakob Ammanns missglückte Verhaftung im Bernbiet 1694, in: Mennonitica Helvetica 18, 1995, 55–67. - Ders., Die Entstehung der Amischen – Ein kurzer Abriss über den Stand der Forschung, in: Mennonitica Helvetica 26/27, 2003/04, 215–222. - Ders., Zwei Briefe des Pfarrers Johann Rudolf Salchli von Eggiwil im Emmental (1693 f.), in: Mennonitica Helvetica 28/29, 2005/2006, 89–145 (zusammen mit Heinrich Löffler). - Ders., Heinrich Funck – „der Mann, den sie gebrandmarkt haben“, oder: Was hat das Zürcher Täufertum mit der Entstehung der Amischen zu tun?, in: Urs B. Leu und Christian Scheidegger (Hg.), Die Zürcher Täufer 1525–1700, Zürich 2007, 277–314. - John Hüppi, Identifying Jacob Ammann, in: Mennonite Quarterly Review 74, 2, 2000, 326–339. - Robert Baecher, La communauté anabaptiste du bailliage de Sainte-Marie-aux-Mines, in: Souvenance Anabaptiste (SA) 6,1987, 57–90. - Ders., Jacob Amman et Heidolsheim in: SA 9,1990, 71–74. - Ders., Jacob Amann, Sa biographie se précise, in: SA 19,2000, 46–66. - Ders., De Steffisburg à Sainte-Marie-aux-Mines, l'exode des future 'amish', in: SA 21, 2002, 20–55.

Robert Baecher

 
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