Command disabled: revisions

Dies ist eine alte Version des Dokuments!


Brenz, Johannes

geb. am 24. Juni 1499 in Weil der Stadt, gest. am 11. September 1570 in Stuttgart, Deutschland; lutherischer Reformator und Theologe.

Der Schwabe Johannes Brenz wirkte erfolgreich als Reformer zuerst in Hall und dann in Württemberg. An beiden Orten war seine Arbeit nicht nur für die Reformation von Theologie und Kirche, sondern auch für die Gesellschaft maßgebend. Als lutherischer Reformer der ersten Stunde bleibt er von Bedeutung für die evangelische Kirche bis heute. Seine persönlichen Kontakte zu den Täufern waren bescheiden, sein Wissen über sie aber viel umfangreicher. Seine milde Einstellung zur Bestrafung der Radikalen ragt als eine besondere Leistung seiner Zeit heraus.

Brenz erhielt seine Erziehung zunächst 1510 an der Trivialschule in Heidelberg, 1511 wechselte er an die Lateinschule in Vaihingen. Solche Ausbildung war ihm zugänglich, da er einer angesehenen Familie in Weil der Stadt entstammte: sein Vater, Martin Heß, auch Prentz genannt, war Richter und Schultheiß. Ab Oktober 1514 konnte Johannes Brenz an der Universität in Heidelberg studieren. Hier wurde er 1516 Baccalaureus (der via antiqua) und 1518 Magister artium. Ob er weiter studierte, ist nicht eindeutig belegt.

Als einer der Rektoren der Realistenburse (1519) und Kanonikus an der Heiliggeistkirche (1520) in Heidelberg wurde er vom Humanismus geprägt. Er lernte Griechisch bei Johannes Oekolampad, las Texte antiker Autoren und der Kirchenväter, auch entdeckte er die Konturen eines neuen Schulwesens und einer humanen Strafrechtspflege. Außerdem knüpfte er Kontakte zu einer Fülle von Personen, viele davon reformgesinnte fränkische Pfarrer, darunter Erhard Schnepf (Lehrer von Jakob Andraea). Den größten Einfluss übte Luther auf ihn aus, den er während der Heidelberger Disputation im April 1518 persönlich kennen lernte. Von diesem Zeitpunkt an kann eine reformatorische Gesinnung bei Brenz angenommen werden. Diese kam ab Herbst 1522 voll zur Geltung, als er zur Michaeliskirche in Schwäbisch Hall wechselte, wo er als Prediger - nicht als Pfarrer - bis 1548 blieb. Seine Predigttätigkeit machte ihn zum Anführer der Haller Reformbewegung. Obwohl er 1523 zum Priester geweiht worden war, wandte er sich gegen die Heiligenverehrung. Nach einer Disputation 1524 wurde das Franziskanerkloster geschlossen und die evangelische Predigt zugelassen. Einer ersten evangelischen Abendmahlsfeier Weihnachten 1526 folgten 1527 eine erste, unvollständige Kirchenordnung und 1528 ein evangelischer Katechismus. Beide waren von Brenz verfasst worden. Eine zweite, endgültige Kirchenordnung wurde 1643 verabschiedet. Brenz fungierte in Hall nicht nur als theologischer Berater und Gutachter, sondern auch als humanistisch gesinnter Reformer des Bildungs- und Rechtswesens.

Schon 1525 begann er außerhalb Halls zu wirken. Während des →Bauernkrieges wandte er sich gegen harte Strafen für die Aufständischen und plädierte für Milde, zumal er eine Mitschuld der Obrigkeit am Aufruhr sah. 1528 wurde er Berater der Reformbewegung in Brandenburg-Ansbach, und auch Gutachter für Ratsschreiber Lazarus Spengler in Nürnberg. Die Brandenburg-Nürnbergische Kirchenordnung von 1533 stammt möglicherweise zum Teil aus seiner Feder. Beim Marburger Religionsgespräch 1529 vertiefte er sein Interesse am andauernden Abendmahlsstreit (1525/26 verfasste er und andere schwäbische Theologen die Syngramma Suevicum [„Schwäbische Vereinbarung"], die die Abendmahlslehre Martin Luthers unterstützte), und lernte den vertriebenen Herzog Ulrich von Württemberg kennen. Er nahm 1530 am Augsburger Reichstag als Mitglied der ansbachischen Gesandtschaft teil, auch an der Reformation verschiedener Städte in Schwaben. Ebenso war er an einer Reihe von Religionsgesprächen in den 1540er Jahren beteiligt.

Von 1535 an wurde Württemberg allmählich das Zentrum seiner Arbeit. Zuerst lieferte er dem seit 1534 wiedereingesetzten Herzog Ulrich Vorschläge und Entwürfe für die Neuordnung der Kirche. In den Jahren 1537/38 führte er als Professor der Theologie nicht nur einen Lehrauftrag an der Universität in Tübingen, sondern auch eine Neuordnung dieser nun evangelischen Universität aus. Der Schmalkaldische Krieg führte 1546 zu seiner Flucht aus Hall. Nach Einführung des Interims dort und der militärischen Besetzung der Stadt im Juni 1548 verließ er die Stadt endgültig. Er floh zunächst auf Herzog Ulrichs Burg Hohenwittlingen bei Urach. Nach einer Zeit der Wanderung (Straßburg, Basel, Stuttgart, Schwarzwald), fand er 1550 eine Wohnstatt am Hof Herzog Ulrichs in Urach. Nach dem Tode Ulrichs ernannte ihn der neue Herzog Christoph zu seinem Berater. 1551 verfasste Brenz die Confessio Virtembergica und nahm sie 1552 als Mitglied der württembergisch-reichsstädtischen Gesandtschaft auf das Konzil von Trient mit.

Bis zu seinem Lebensende diente er Württemberg. 1553 wurde er als Propst an der Stiftskirche in Stuttgart angestellt, die Bestallung folgte 1554. Als herzoglicher Rat war er damit der erste Geistliche des Landes. In dieser Position unternahm er die Neuordnung der württembergischen Kirche, die mit der Großen Kirchenordnung von 1559 abgeschlossen wurde. Als Württemberger nahm er auch am Wormser Kolloquium (1556), dem Frankfurter Reichstag (1558) und am Maulbronner Religionsgespräch (1564) teil. Bei Letzterem war er dabei, als Jakob Andreae mit kurpfälzischen Theologen über Fragen der Christologie und des Abendmahls disputierte und die von Brenz konzipierte sogenannte Übiquitätstheorie (Theorie der Allgegenwärtigkeit der menschlichen Natur Christi) vertrat. Brenz wollte mit dieser Theorie die innerprotestantische Spaltung in dieser Frage überwinden. In drei lateinischen Schriften (1561/62) und im Bekenntnis und Bericht der Theologen in Württemberg von der wahrhaftigen Gegenwärtigkeit des Leibes und Blutes Christi im heiligen Nachtmahl hat Brenz diese Theorie gründlich erklärt. Sie wurde aber nicht über Württemberg hinaus akzeptiert.

Die Bedeutung, die Brenz für die Täufer hatte, lag weniger in seinen persönlichen Kontakten zu ihnen als in seiner Einstellung zu deren Strafverfolgung. Er kannte verschiedene täuferischen Lehrsätze und hatte Täufer verschiedener Ausprägungen beobachtet. In einem Brief an Heinrich Bullinger 1544 berichtete er von Durchzügen zahlreicher Täufer auf dem Weg nach →Mähren, wahrscheinlich zu den hutterischen Bruderhöfen. Auf Anordnung des Herzogs 1553 musste er vierteljährlich mit den Generalsuperintendenten und Kirchenräten darüber beraten, wie die Täufer zu behandeln seien. Daraus resultierten einige Kontakte mit den Täufern. Im April 1557 nahm Brenz am Verhör von Jörg Rapp und dessen jüngerem Bruder (auch Jörg genannt) in Stuttgart teil. Beide Täufer aus Pforzheim wurden in Vaihingen verhaftet. Nach dem Verhör wurde entschieden, den älteren Bruder zu verbannen, ohne dass der jüngere davon wissen sollte. Dieser wurde als weisungsfähig in Haft gehalten. Später im Monat widerrief der jüngere Rapp und wurde freigelassen. Im September 1559 verhörte Brenz und andere Michel Honacker und Hans Braun sowie deren Ehefrauen. Diese hatten ein Jahr zuvor das Land verlassen, um nach Mähren zu ziehen. Von den Hutterern enttäuscht, kehrten sie jetzt zurück und baten um Einlass und Rückgabe ihrer beschlagnahmten Güter. Nach dem Verhör durch Brenz am 9. September durften sie wieder in Württemberg wohnen, mussten aber ihre Irrtümer bekennen und sich schriftlich verpflichten, den Gottesdienst zu besuchen. Schon früher (1555) verhörte Brenz Claus Frey, der es ablehnte, am Abendmahl teilzunehmen und eine Waffe zu tragen. Brenz sah offensichtlich keinen Grund, ihn zu bestrafen, obwohl andere diesen für einen Täufer hielten. Erst 1565 wurde Frey des Landes verwiesen, aber 1569 wieder eingelassen, nachdem sich herausstellte, dass er kein Täufer, sondern ein Anhänger Kaspar von Schwenckfelds war.

Im Sommer 1557 nahm Brenz zusammen mit seinem Kollegen Andreae am Religionsgespräch zu Pfeddersheim teil. Unter den teilnehmenden Täufern war auch der elsässische Täuferführer Diebold Winter. Die Schrift, die kurz nach diesem Gespräch veröffentlicht wurde (Prozeß, wie es soll gehalten werden mit den Wiedertäufern) enthielt Passagen, die die Todesstrafe für die Täufer empfahlen. Da Brenz (und auch Andreae) diese Schrift mit unterzeichneten, wurde lange davon ausgegangen, dass Brenz seine frühere humane Einstellung geändert habe. Diese Behauptung kann nicht mehr aufrecht erhalten werden. Es ist unbestritten, dass Brenz gegen eine Duldung der Täufer war, und auch harte Maßnahmen gegen sie unterstützen konnte. Im Jahre 1530 soll er dem Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach empfohlen haben, die Kinder der Täufer zur Zwangstaufe zu führen. Sicherlich war er für das Mandat 1558 in Württemberg gegen die Sektierer aller Couleur auch verantwortlich, das aber als Höchststrafe „nur" das wiederholte Verhör und eine Haftstrafe vorsah und nicht die Todesstrafe. So schnell nach Pfeddersheim und dem „Prozeß" war zu erwarten, dass Brenz die Unterschrift geben würde. Die treibende Kraft zu Pfeddersheim und hinter dem „Prozeß" war Philipp Melanchthon. Überstimmt von ihm und seinen Mitstreitern, sahen sich Brenz und Andreae wohl gezwungen, die Schrift - wenn auch widerwillig - zu unterschreiben, um nicht weitere Uneinigkeit unter den Protestanten zu säen.

Diese angebliche Unterstützung der Todesstrafe für die Täufer blieb die einzige Ausnahme, in allen anderen Aussagen hielt Brenz an der Ablehnung der Todesstrafe fest. Seine Grundgedanken dazu hatte er 1528 in einer Schrift gegen das Mandat Kaiser Karls V. vom selben Jahr niedergelegt, das die Todesstrafe für die Täufer verlangte. Unter dem Titel Underricht Philips Melanchthon widder die leere der Widderteuffer. Ob ein weltliche oberkeit mit Götlichem und billischem Rechten mög die Widderteuffer durch fewer odder schwerd vom leben zum Tode richten erklärte er, dass die Obrigkeit das Recht dazu nicht besitzt. Wenn sie es trotzdem tue, stehe sie unter Androhung göttlicher Strafe, weil sie nicht dazu befugt sei, Menschen wegen ihres Glaubens umzubringen. Brenz sah das Evangelium und die Schrift als die einzigen Waffen an, die gegen die Täufer eingesetzt werden dürfen. Er sah auch ein, dass durch die Todesstrafe die Täufer nicht ausgerottet, sondern eher gestärkt worden seien, und Gott darüber hinaus erzürnt werde (weil die Obrigkeit das täte, wozu sie kein Recht habe). Diese Grundhaltung hat Brenz nie in Zweifel gezogen, sie blieb vielmehr für seine Einstellung bestimmend und letztlich auch für die Einstellung Württembergs gegenüber den Täufern.

Werke (Auswahl)

Ein Großteil der über 500 Brenz-Drucke sind Predigten und Schriftauslegungen, wie: Jesajakommentar, 1550. - Johanneskommentar, 1527/28. - Römerbriefkommentar, 1564. - Galaterkommentar, 1546.- Wichtige kirchenpolitische Werke sind: Unterrichtung von zwiespaltigen Artikeln, 1524. - Syngramma Suevicum, 1526 (zur Abendmalslehre). - Confessio Virtembergica, 1551. - Explicatio Catechismi, 1551. - Bekenntnis und Bericht der Theologen in Württemberg von der wahrhaftigen Gegenwärtigkeit des Leibes und Blutes Christi im heiligen Nachtmahl, 1560 (zur Übiquitätstheorie).

Johannes Brenz, Opera, 8 Bde., Tübingen 1576-1590. - Theodor Pressel, Anecdota Brentiana, Tübingen 1868. - Walther Köhler, Bibliographia Brentiana, 1904 (Nachdruck 1963). - Johannes Brenz, Werke, hg. von M. Brecht und G. Schäfer, Tübingen 1970 ff. - Ernst Bizer, Confessio Virtembergica, Stuttgart 1952. - Ders., Predigten des Johannes Brenz, Stuttgart 1955. - Ders., Analecta Brentiana, in: Blätter für württembergische Kirchengeschichte 57/58, 1957/1958, 253-373.

Literatur

Julius Hartmann und Karl Jäger, Johannes Brenz, Hamburg 1840/42. - Gustav Bossert, Beiträge zur badisch-pfälzischen Reformationsgeschichte (Schluß), in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 59, 1905, 41-89. - Friedrich Wilhelm Kantzenbach, Der Anteil des Johannes Brenz an der Konfessionspolitik und Dogmengeschichte des Protestantismus, in: Reformation und Confessio, Festschrift für Wilhelm Maurer, Berlin/Hamburg 1965. - James M. Estes, Church Order and the Christian Magistrate According to Johannes Brenz, in: Archiv für Reformationsgeschichte 59, 1968, 5-24. - Gottfried Seebaß, An sint persequendi haeretici? Die Stellung des Johannes Brenz zur Verfolgung und Bestrafung der Täufer, in: Blätter für württembergische Kirchengeschichte 70, 1970, 40-99. - Martin Brecht, Johannes Brenz, Neugestalter von Staat, Kirche und Gesellschaft, Stuttgart 1971. - Hans Martin Maurer und Kuno Ulshöfer, Johannes Brenz und die Reformation in Württemberg, Stuttgart/Aalen 1971. - James M. Estes, Johannes Brenz and the Problem of Ecclesiastical Discipline, in: Church History 41, 1972, 464-479.

Dennis L. Slabaugh

 
www.mennlex.de - MennLex V :: art/brenz_johannes.1282119555.txt.gz · Zuletzt geändert: 2010/08/18 10:19 von bw     Nach oben
© 2010 - 2020 Mennonitischer Geschichtsverein e.V. | Impressum | Kontakt: webmaster@mennlex.de | Umsetzung: Benji Wiebe, mennox.de |
Artikel drucken
| ODT Export | PDF Export