Deppermann, Klaus

geb. am 30. Mai 1930 in Gadderbaum bei Bielefeld, gest. am 12. August 1990 in Freiburg, Deutschland; Professor für Neuere Geschichte in Freiburg.

Eine prägende Kindheitserfahrung war für Klaus Deppermann 1936–1937 die Konzentrationslager-Haft seines Vaters, eines überzeugten Sozialdemokraten. Wenig später kam er im Kindergottesdienst in Bethel in Kontakt zu der dort geübten tätigen Menschlichkeit. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs musste der 14-jährige in Holland Panzergräben bauen.

Nach dem Abitur an der Oberschule für Jungen in Bethel bei Bielefeld nahm Klaus Deppermann 1950 sein Studium der Geschichte und der Anglistik in Münster auf, das er nach zwei Semestern in Freiburg und 1952–1953 an der University of Wyoming in Laramie fortsetzte. In Freiburg folgten 1956 das erste Staatsexamen für das höhere Lehramt, 1958 die Promotion mit einer Dissertation über den halleschen Pietismus und den preußischen Staat unter Friedrich III. (I.) und 1959 das zweite Staatsexamen. Bis 1967 unterrichtete er an einem evangelischen Internat in Espelkamp und am Helmholtz-Gymnasium in Bielefeld. Er kehrte nach Freiburg zurück, nahm an der Albert-Ludwigs-Universität eine akademische Lehrtätigkeit auf, habilitierte sich 1976 mit seiner eindrucksvollen Biografie des Täufers Melchior →Hoffman und erhielt 1981 eine Professur für neuere Geschichte.

Große Bedeutung hatte für ihn sein akademischer Lehrer Gerhard Ritter (1888–1967). Wie Ritter verstand es Klaus Deppermann, das in eigenen Erfahrungen begründete skeptische Gesellschafts- und Menschenbild historisch-biografisch auszuarbeiten. Durchgängig interessierten ihn die geistigen und gesellschaftlichen Wechselwirkungen in den reformatorischen Veränderungsprozessen der Frühneuzeit. Diesem Ansatz folgte schon seine Dissertation. Als Biograph Melchior Hoffmans und in Beiträgen über die radikal-reformatorischen Strömungen in der englischen Revolution hat er die Beziehungen von Ideen und gesellschaftlicher Wirklichkeit sichtbar gemacht. Eine Darstellung des englischen und amerikanischen Puritanismus, an der er arbeitete, kam nach einem schweren Herzinfarkt aufgrund seines frühen Todes nicht mehr zum Abschluss.

Großen Anteil hatte Klaus Deppermann an der sich Mitte der 1970er Jahre vollziehenden sozialgeschichtlichen Wende der Täuferforschung, in der die Täuferbewegungen differenzierter als früher und in ihrer jeweiligen Stellung im reformatorischen Gesamtprozess wahrgenommen wurden. Seine Hoffman-Biographie verarbeitet erstmals weitgehend vollständig die Schriften dieses in unterschiedlichen sozialen Umgebungen wirkenden Laienpredigers, der auf der Grundlage seiner apokalyptischen Weltsicht zum Täuferführer und zum Wegbereiter der Täuferherrschaft in Münster wurde.

Klaus Deppermanns Werke sind gekennzeichnet von seiner besonderen Fähigkeit, die meist hochkomplexen Faktorenbündel von Ursachen, Verlauf und Ergebnissen geschichtlicher Veränderungsprozesse klar zu benennen. Die Schärfe seiner Analysen hat ihn jedoch gelegentlich verleitet, Möglichkeiten der Interpretation auszuschließen, die bei Berücksichtigung von ihm vernachlässigter Faktoren hätten zum Tragen kommen können. So hat er beispielsweise die spiritualisierenden Tendenzen in den Verhörsaussagen des münsterischen Täuferkönigs Jan van Leiden als bloße Schutzbehauptungen dargestellt. Es ist Klaus Deppermann aber insgesamt immer wieder überzeugend gelungen, individuelles Denken und Handeln von Menschen im Beziehungsgeflecht jeweiliger historischer Bedingungen zu deuten.

Werke (Auswahl)

Der hallesche Pietismus und der preußische Staat unter Friedrich III. (I.), Göttingen 1961. - James M. Stayer, Werner O. Packull, Klaus Deppermann, From Monogenesis to Polygenesis: the Historical Discussion of Anabaptist Origins, in: The Mennonite Quarterly Review 49, 1975, 83–121. - Melchior Hoffmans Weg von Luther zu den Täufern, in: Hans-Jürgen Goertz (Hg.), Umstrittenes Täufertum 1525 – 1975. Neue Forschungen. Göttingen 1975, 2. Aufl. 1977, 173–205. - Melchior Hoffman. Soziale Unruhen und apokalyptische Visionen im Zeitalter der Reformation, Göttingen 1979. - Das Freie Gemeinwesen der Wahren Gleichmacher. Gerrard Winstanley und die Landkommunen der Digger, in: Hans-Jürgen Goertz (Hg.), Alles gehört allen. Das Experiment Gütergemeinschaft vom 16. Jahrhundert bis heute. München 1984, 71–91. - Täufergruppen in Augsburg und Straßburg – ihre soziale Rekrutierung und Theologie, in: Städtische Randgruppen und Minderheiten. Südwestdeutscher Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung, 23. Arbeitstagung in Worms, hg. v. Bernhard Kirchgässner und Fritz Reuter (Stadt in der Geschichte 13), Sigmaringen 1986, 161–182, Diskussionsbeiträge, 231–235.- Protestantische Profile von Luther bis Francke. Sozialgeschichtliche Aspekte, hg. von Thomas Baumann, Christoph Dittrich, Frank Hugelmann und Herbert L. Müller, Göttingen 1992.

Literatur

Martin Brecht, Nachruf auf Klaus Deppermann, in: Pietismus und Neuzeit. Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren Protestantismus. Im Auftrag der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus hg. v. Martin Brecht u. a., Band 16, Göttingen 1990, 7–8. - Hans-Jürgen Goertz, Die Genauigkeit des Urteils. Gedenkrede für Klaus Deppermann (1930–1990), in: Mennonitische Geschichtsblätter, 1990/1991, 215–222. - Klaus Deppermann, Protestantische Profile von Luther bis Francke. Sozialgeschichtliche Aspekte, hg. v. Thomas Baumann, Christoph Dittrich, Frank Hugelmann, Herbert L. Müller, Göttingen 1992 (mit biographischem Nachwort der Herausgeber, 108–111).

Ralf Klötzer

 
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