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Feicken, Hille

geb. in Wirdum/ Westfriesland, Niederlande, Alter unbekannt (ca. 30 Jahre), lebte mit ihrem Mann in Sneek, Niederlande, später in Münster; Täuferin, 1534 im bischöflichen Lager vor den Toren Münsters enthauptet.

Über Hille Feickens Herkunft und ihr Leben in Münster ist wenig Gesichertes bekannt. Auskunft über ihre Person und ihr gescheitertes Attentat auf den Fürstbischof Franz von Waldeck geben vor allem die beiden Verhöre vom 26. und 27. Juni 1534 sowie Passagen in den von Hermann von Kerssenbrock und Heinrich Gresbeck verfassten Darstellungen über das Münsteraner Täuferreich. Hilles Feickens Bekenntnis zufolge habe sie in Sneek Hab und Gut den Armen geschenkt, bevor sie in dreiwöchigem Abstand ihrem Mann „Psalmus“, der damals schon im Rat der Stadt Münster gesessen haben soll, in die erleuchtete Stadt →Münster, das Neue Jerusalem gefolgt sei. Sie gibt u. a. an, im Kloster Nießing gewohnt und mit anderen Frauen und Mädchen an den Wällen gearbeitet zu haben.

Wahrscheinlich wäre Hille Feicken nie namentlich in die Münsteraner Täufergeschichte eingegangen, hätte sie nicht versucht, die belagerte Stadt durch einen spektakulären Mord zu befreien. Am 16. 6. 1534 zog sie als neue Judith aus, um Franz von Waldeck zum zweiten Holofernes zu machen. Wie sie im peinlichen Verhör vom 27. Juni gesteht, hatte ihr der Gedanke keine Ruhe mehr gelassen, Judiths Tat noch einmal zu vollbringen. Im Nachhinein sei sie sich allerdings nicht mehr sicher, ob Gott oder der Teufel sie dazu gebracht habe.

Hille Feicken gibt an, ihren Plan bzw. ihre Eingebung den Führergestalten mitgeteilt und mit ihnen besprochen zu haben und letztlich von ihnen auch unterstützt worden zu sein. Es dürfte also nicht den historischen Gegebenheiten entsprechen, Hille Feicken als gedungene Mörderin bzw. Werkzeug zu betrachten, vielmehr scheint sie, eigenmächtig und göttlich inspiriert, ihre Idee von der Judithmetamorphose entwickelt und in Teilen umgesetzt zu haben. Fraglich ist auch, ob sie anders als die biblische Judith, den Bischof tatsächlich mit einem vergifteten Hemd töten wollte; in den Verhören wird auf diesen Punkt nicht eingegangen. Indem Hille Feicken erklärte, Judiths Tat noch einmal vollbringen zu wollen, eröffnete sie sich die Möglichkeit, als Frau im Münsteraner Täuferreich politisch agieren und ihren Befreiungsplan über alle Zweifel hinweg, in Angriff nehmen zu können. Der Anschlag misslang. Herman Ramert, ein übergelaufener Bürger, soll Hille Feickens Vorhaben verraten haben. Aufgrund ihrer gescheiterten Mission wurde Hille Feicken anders als ihr erfolgreiches biblisches Vorbild nicht zur gefeierten Heldin, sondern im bischöflichen Lager enthauptet. Über die historischen Quellen hinaus leben Hille Feicken und ihr spektakulärer Befreiungsversuch nicht nur in Kunst und Literatur, sondern auch im westfälischen Sagenschatz fort.

Quellen

Klemens Löffler (Hg.), Die Wiedertäufer zu Münster 1534/35. Berichte, Aussagen und Aktenstücke von Augenzeugen und Zeitgenossen, Jena 1923, 94–97. - Heinrich Gresbeck's Bericht von der Wiedertaufe in Münster, in: Berichte der Augenzeugen über das Münsterische Wiedertäuferreich, hg. von C. A. Cornelius, Münster 1853, 44 ff. (2. unveränderter Nachdruck der 1. Aufl. mit einem Nachwort von Robert Stupperich, Münster 1983). - Josef Niesert (Hg.), Münsterische Urkundensammlung, Erster Bd.: Urkunden zur Geschichte der Münsterischen Wiedertäufer, Coesfeld 1826, 40–46. - Heinrich Detmer (Hg.), Hermann von Kerssenbroick. Anabaptisti furoris Monateriensium inclitam Westphaliae metropolim evertentis historica narratio (2 Bde.), Münster 1899/1900.

Literatur

Marion Kobelt-Groch, Aufsässige Töchter Gottes. Frauen im Bauernkrieg und in den Täuferbewegungen, Frankfurt/ New York 1993, 64–132. - Dies., Judith macht Geschichte. Zur Rezeption einer mythischen Gestalt vom 16. bis 19. Jahrhundert, München 2005, 57–69.

Marion Kobelt-Groch

 
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