Command disabled: revisions

Goeters, Johann Friedrich Gerhard

geb. am 1.4.1926 in Bonn, gest. am 20.8.1996 in Bonn, Deutschland; Kirchenhistoriker.

Durch seine Eltern, Professor Wilhelm Goeters und Elisabeth, geb. Schrenk, war Gerhard Goeters reformiert ausgerichtet und durch eine auf Elias Schrenk zurückreichende Frömmigkeit geprägt. Er studierte nach seiner Schulzeit in Bonn und Münster, nach Kriegsdienst und britischer Gefangenschaft ab dem Sommersemester 1948 evangelische Theologie in Bonn, Göttingen, Tübingen, Basel (Gasthörer) und Zürich. Interessiert an allen Spuren christlichen Lebens in Vergangenheit wie Gegenwart wurde Fritz →Blanke in Zürich sein wichtigster akademischer Lehrer, unter dessen Anleitung er seine in Archiven wie Bibliotheken ansetzende Arbeitsmethodik ausbildete, die alle seine Publikationen als Ergebnisse subtiler Einzelanalysen prägt, umgesetzt mit sprachlicher Meisterschaft und sicherem historischem Urteil.

Sein Arbeitsschwerpunkt wurde seit 1952 das 16. Jahrhundert. Seine 1963 mit höchster Anerkennung von der Bonner Evangelisch-theologischen Fakultät angenommene Habilitationsschrift über die Kurpfälzischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, publiziert 1969 als Band 14 in der von Emil Sehling initiierten Reihe Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, eröffneten ihm den Weg in kirchengeschichtliche Ordinariate in Münster 1967 und Bonn 1970. Er wies sich als ausgezeichneter Kenner der frühen schweizerischen und süddeutschen Reformationsgeschichte aus. Speziell übte seine Studie zur Vorgeschichte des Täufertums (→Täufer) in Zürich (1969) einen nachhaltigen Einfluss auf den weiteren Gang der neueren →Täuferforschung aus. In späteren Jahren wurde er insbesondere durch seine Beteiligung an der 1976 erneut einsetzenden Vorbereitung und seit 2002 erscheinenden Edition der Reformierten Bekenntnisschriften, seine Beiträge in der dreibändigen Geschichte des Pietismus, 1993–2000, wie im Handbuch Die Geschichte der Evangelischen Kirche der Union, 1992–1999, auch für das 17. bis 20. Jahrhundert eine führende Forscherpersönlichkeit in Deutschland.

Seine Untersuchungen zur Geschichte der Täufer haben zwei Schwerpunkte: Lebensweg und Lehransichten des aus dem Thurgauischen Bischofszell stammenden Ludwig →Hätzer sowie die Anfänge des Täufertums im Rheinland und in Westfalen. Methodisch setzte er in diesen Arbeitsfeldern jeweils mit präzisen Feststellungen zur Forschungslage ein. Ermittelte Defizite versuchte er abzubauen und Korrekturen am vorliegenden Wissensstand vorzunehmen, so dass verlässliche neue Erkenntnisse in seinen Forschungsfeldern erreicht wurden.

Ab 1952 begann er, den humanistisch-theologischen Ausbildungs- und Lebensweg des 1529 in Konstanz wegen Bigamie enthaupteten Ludwig Hätzer schrittweise nachzuzeichnen. Zentrale Bedeutung erlangte seine immer noch nicht überholte Dissertation mit der Aufdeckung der Verbindungen des ehemaligen Zwingli-Schülers zu den Täufern, besonders zu Hans →Denck, wie der Aufnahme mystisch-spiritualistischer Grundüberzeugungen. Er klärte die Beziehungen zu Andreas →Karlstadt, arbeitete die Bedeutung von Hätzers berühmter Bildersturmschrift ebenso heraus wie seine Bedeutung als Mitarbeiter an der Übersetzung der alttestamentlichen Prophetenbücher (→Wormser Propheten). Lieder Hätzers werden noch heute auf den hutterischen Bruderhöfen in Nordamerika gesungen. Ferner zeigte Goeters, wie Hätzer schließlich mit antitrinitarischen Anschauungen zu einer Randfigur des Täufertums wurde.

Gemeinsam mit Heinold Fast entdeckte Goeters 1955 in der Berner Burgerbibliothek im Codex 464 das „→Kunstbuch“ des Jörg Probst Rotenfelder gen. Maler, der dem Täuferkreis um Pilgram →Marpeck angehörte. Das Kunstbuch wurde jedoch erst 2007 in der Bearbeitung durch Heinold Fast und Martin Rothkegel als Band 17 der Quellen zur Geschichte der Täufer veröffentlicht.

Zur Entwicklungsgeschichte des Münsteraner Täuferreiches (→Münster) steuerte Goeters den Nachweis bei, dass sich dort um die Jahreswende 1533/34 melchioritischer Prophetengeist durchsetzte. Die in rheinischen Territorien und Städten auftretende sakramentarische Bewegung mit ihrem spiritualistischen Abendmahls- und Taufverständnis war zunächst eine radikale Spielart reformatorischer Lehren. Ab 1534 wurde diese Bewegung rasch durch das von Münster her sich ausbreitende Täufertum aufgesaugt. Fortan wurden diese Täufer intensiven Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt und, von geringen Resten abgesehen, durch den Calvinismus verdrängt. Das von Thönis von Sasserath verfasste, in Kempen 1545 abgelegte Täuferbekenntnis erwies Goeters, der dieses Bekenntnis erstmals edierte, als ein frühes Dokument mennonitischen Glaubens.

Beiträge zur Täuferforschung (Auswahl)

Zu Ludwig Hätzers theologischer Entwicklung, in: Theologische Zeitschrift, Basel, 8, 1952, 317 – 320. - Ein Auszug aus Zwinglis „In catabaptistarum strophas elenchus“ als antitäuferisches Flugblatt, in: Theologische Zeitschrift, Basel, 9, 1953, 395 – 397. - Ludwig Haetzer, A Marginal Anabaptist, in: Mennonite Quarterly Review 29, 1955, 251 – 262. - Artikel „Haetzer, Ludwig“, in: Mennonite Encyclopedia 2, 1956, 621 – 626. - Ludwig Hätzer (ca. 1500 bis 1529). Spiritualist und Antitrinitarier. Eine Randgestalt der frühen Täuferbewegung, Diss. theol. Zürich 1955, Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte 25, Gütersloh 1957. - Ludwig Hätzers Lieder. Ein hymnologischer Versuch, in: Mennonitische Geschichtsblätter 16, 1959, 3 – 14. - Die Rolle des Täufertums in der Reformationsgeschichte des Niederrheins, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 24, 1959, 217 – 236. - Das älteste rheinische Täuferbekenntnis, in: Cornelius J. Dyck (Hg.), The Heritage of Menno Simons, Mennonite Historical Series Vol. 7, Newton, Ks., 1962, 197 – 212. - Die Vorgeschichte des Täufertums in Zürich, in: Luise Abramowski und Gerhard Goeters (Hg.), Studien zur Geschichte und Theologie der Reformation. Festschrift für Ernst Bizer, Neukirchen 1969, 239 – 281. - Taufaufschub, Endzeiterwartung und Wiedertaufe. Erwägungen zur Vorgeschichte des Täuferreichs von Münster, in: Willem vanʼt Spijker (Hg.), Calvin, Erbe und Auftrag. Festschrift für Wilhelm Heinrich Neuser, Kampen 1991, 305 – 317. − Zu weiteren Publikationen vgl. die Bibliografie in Heiner Faulenbach (Hg.), Standfester Glaube. Festschrift für Johann Friedrich Gerhard Goeters, Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte, Band 100, Köln 1991, 451 – 459, mit Nachtrag in: Monatshefte für evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 45/46, 1996/1997, 640 – 644.

Ausgewählte Literaturhinweise

Heiner Faulenbach, Ihm forthin zu leben. Zur Erinnerung an Gerhard Goeters, in: Monatshefte für evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 45/45, 1996/1997, 629 – 640. - Harm Klueting, Johann Friedrich Gerhard Goeters. Ein Porträt statt eines Nachrufes, in: Jahrbuch des Vereins für Westfälische Kirchengeschichte 91, 1997, 13 – 25. - Hans-Georg Ulrichs, Artikel „Goeters, Wilhelm August“ und „Goeters, Johann Friedrich Gerhard“, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Bd. III, 2000, 1062 f .

Heiner Faulenbach

 
www.mennlex.de - MennLex V :: art/goeters_johann_friedrich_gerhard.txt · Zuletzt geändert: 2020/05/14 15:50 von bw     Nach oben
© 2010 - 2020 Mennonitischer Geschichtsverein e.V. | Impressum | Kontakt: webmaster@mennlex.de | Umsetzung: Benji Wiebe, mennox.de |
Artikel drucken
| ODT Export | PDF Export