Jones, Rufus Matthew

geb. 25. Januar 1863 in South China (Maine),USA, gest. 16. Juni 1948 in Haverford (Philadelphia), USA; Religionswissenschaftler, Kirchenhistoriker, Friedensaktivist (Quäker).

Rufus M. Jones gehört, zusammen mit Roland H. →Bainton (1894–1984) und John Howard →Yoder (1927–1997) zu den bedeutenden nordamerikanischen Theologen des 20. Jahrhunderts, die sich auch um die Erforschung der Geschichte und Theologie der Freikirchen verdient gemacht haben. Dank mehrerer autobiographischer Bücher sind wir über den Lebensweg von Rufus Jones gut informiert. Schon seine Eltern, Edwin Jones und Mary G. (Hoxie), waren aktive Quäker im US-Bundesstaat Maine, wo Rufus Jones 1863 geboren wurde. Geprägt wurde er vom Farmcharakter Nordostamerikas, seiner Tante Sybil Jones (1808–1873) sowie seinem Onkel Eli Jones (1807–1890), mit denen er durch die USA zog, um Quäkergemeinden zu besuchen.

1882 begab sich Jones an das Haverford College der Quäker in Pennsylvania (1885: Bachelor of Arts, 1886 Magister). Kurz darauf heiratete er 1888 Sarah Hawkshurst Coutant (1862–1899) und war von 1889 bis 1893 Leiter der Quäkerschule in Oak Grove in Vassalboro (Maine). Anschließend studierte er in Europa und konnte die Erträge dieses Forschungsaufenthalts für viele seiner Arbeiten in den folgenden Jahrzehnten zur Mystik und zum Täufertum verwenden. In England war er 1903 an der Gründung von Woodbrooke in Birmingham, einem Studienzentrum der Quäker für Europa, beteiligt. Dort lernte er seine zweite Frau kennen, Elizabeth Cadbury (1871–1952) aus einer Quäkerfamilie, die für ihre Schokoladenfabrikation noch heute bekannt ist.

Ab 1893 unterrichtete Jones in Haverford, wo er 1904 eine Professur für Philosophie erhielt, die er dreißig Jahre lang innehielt, unterbrochen von Forschungsaufenthalten oder Sonderaufgaben für das Quäkertum. Nebenher predigte er häufig, auch in Kirchen der Mennoniten und an Universitätskollegien. 1908 lehrte er in Oxford und betrieb Studien in der Bodleian Bibliothek, 1911 an der Marburger Universität, an der immer wieder Quäker studiert hatten. 1914/15 wäre Jones beinahe an einer schweren Depression verstorben und lebte bereits als Einsiedler in einer Holzhütte. Nur durch Therapie und Naturaufenthalte konnte er wieder arbeitsfähig gemacht werden. Depressionsphasen traten dann bis an sein Lebensende immer wieder auf. Von 1917 bis 1927 und erneut von 1934 bis 1944 leitete er das American Friends Service Committee (AFSC), zu dessen Mitbegründern er zählte. Die Hauptarbeitsgebiete des AFSC waren Völkerverständigung, Konfliktmanagement, politische Mediation, nachhaltige Entwicklungshilfe und vor allem Friedensarbeit. Mitarbeiter waren nicht allein Quäker, sondern auch Mennoniten und Mitglieder der Brethren Church. Diese Aktivitäten trugen dazu bei, den Pazifismus der Mennoniten zu stärken und das →Mennonite Central Committee und den Civilian Public Service zu gründen.

Das sozialpolitische Wirken von Jones lässt sich mit drei Zielen umreißen: 1. das Quäkertum aus der Aufspaltung in verschiedene mehr oder weniger einflusslose Gruppen zu einer Bewegung zusammenzuführen, 2. die Zusammenarbeit der christlichen Gemeinschaften auf karitativem Gebiet voranzubringen, 3. von den Religionsgemeinschaften reformerische Impulse in die nordamerikanische Gesellschaft ausgehen zu lassen, vor allem bezüglich des Pazifismus. Für Kriegsdienstverweigerer war Jones ein vehementer Fürsprecher. Um ihre Situation zu verbessern, hielten in den USA während der Zwischenkriegszeit Mennoniten, Brethren und Quäker mehrere Tagungen ab, an denen auch Jones mitwirkte. Solche Zusammenkünfte führten 1933 zur Gründung von American Friends Fellowship Council (AAFC), welches nach dem Zweiten Weltkrieg zu Friends World Committee for Consultation (FWCC) wurde und heute die weltweite Tätigkeit der Quäker koordiniert und berät. 1937 leitete Jones die zweite Weltkonferenz der Quäker in Swarthmore (Pennsylvania), und im November 1938 versuchte er nach der „Reichskristallnacht“, zusammen mit den Quäkern George A. Walton und Robert Yarnall, im Hauptquartier der Gestapo in Berlin verfolgten Juden die Ausreise zu ermöglichen. Ein Versuch, persönlich bei Hitler vorzusprechen, schlug fehl. Nach einem Herzinfarkt 1947 verstarb er 1948 in seinem Haus in Haverford.

Jones verfasste über fünfzig Bücher sowie an die eintausend Beiträge und war Herausgeber mehrerer Zeitschriften. Nur weniges davon ist heute noch relevant. In seinen Werken Studies in Mystical Religion (1909) sowie in Spiritual Reformers in the Sixteenth and Seventeenth Centuries (1914) und ein weiteres Mal in New Studies in Mystical Religion (1927) setzte er sich mit der christlichen mystischen Gotteserfahrung auseinander. Insbesondere in diesem Frühwerk beschäftigte sich Jones auch mit Täufern oder dem Täufertum nahe stehenden Personen, wie Johann →Bünderlin, Christian Entfelder und Sebastian →Franck. Diese fallen für ihn mit anderen Gruppierungen unter den Sammelbegriff „left wing of the Reformation“ (in Spiritual Reformers, 1914), ein Terminus, den später u. a. Roland Bainton und Heinold Fast bekannt machen sollten. Geistige oder spirituelle Religion setzt sich, nach Jones, aus mystischem Erleben, aus reformatorischem Gedankengut und aus humanistischem Bestreben zusammen und bildet die gemeinsame Klammer des „Linken Flügels der Reformation“.

Publikationen

Anabaptism in England, Haverford, 1908. - Studies in mystical religion, London 1909. - Spiritual Reformers in the 16th and 17th Centuries, London 1914 (dt. Ausgabe: Geistige Reformatoren des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts, Berlin 1925). - The Anabaptist and minor sects in the Reformation, in: The Harvard Theological Review, 11, 3, 1918, 233–246. - Caspar Schwenckfeld and the reformation of the ‚middle way', in: Hartford Seminary Record, 23, 4, 1913, 96–113. - What saints and sages see. Two interpretations of saint Francis of Assisi, in: Christian Century. A journal of religion, 47, 7, 1930, 206–209. - Rethinking religious liberalism, Boston 1935.

Literatur

Albert K. Keim, The CPS story. An illustrated history of civilian public service, Intercourse 1990. - Donald F. Durnbaugh, Relationships of the Brethren with the Mennonites and Quakers, 1708–1865, in: Church History, 35, 1, 1966, 35–59. - Melvin B. Endy, The interpretation of Quakerism. Rufus Jones and his critics, in: Quaker History. The Bulletin of Friends' Historical Association, 62, 1, 1981, 3–21. - Leonard Gross, Art. Rufus Matthew Jones in: The Mennoniten Encyclopedia, 5, 1990, 467. - Claus Bernet, Rufus Jones (1863–1948). Life and bibliography of an American scholar, writer, and social activist, New York 2009.

Claus Bernet

 
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