Kägy (Kaege), David

geb. am 17. Mai 1767 im rheinhessischen Dorf Offstein in der Kurpfalz, gest. am 10. November 1846 ebenfalls in Offstein im Großherzogtum Hessen-Darmstadt, Deutschland; kurpfälzischer Hintersasse und Erbbeständer, Besitzer einer Gerberei, Brennerei und Essigsiederei, Landwirt, Bauernkaufmann, Diakon der mennonitischen Gemeinde Heppenheim, vorübergehend zwischen 1799 und 1801 Agent der Mairie Offstein sowie kurzfristig 1824 Bürgermeister der Gemeinde Offstein.

Der Urgroßvater Felix Kägy war 1683 aus der Schweiz geflüchtet und in die Kurpfalz eingewandert, wo er sich zunächst als Pächter auf dem Rohrhof bei Heidelberg und – nach einem Intermezzo in dem Dorf Friesenheim – schließlich dauerhaft 1702 als Erbbeständer auf dem Bolanderhof im Amt Kirchheim niederließ, einer in der Nordwestpfalz gelegenen Exklave der Grafen von Nassau-Weilburg. Sein zweitältester Sohn Johannes zog um 1705 auf den nahe gelegenen Weierhof, um dort eine Mühle im Erbbestand zu pachten, der er später eine Brennerei anschloss. Johannes Kägys ältester Sohn Johann Jakob, der 1758 Veronika Möllinger aus Monsheim heiratete, zog 1767 in das kurpfälzische Dorf Offstein und übernahm dort als Hintersasse des Kurfürsten einen Gutshof im Umfang von etwa 36 ha in Erbpacht. Neben der Bewirtschaftung dieses Hofes gründete Johann Jakob 1780 in Offstein eine Gerberei mit kurpfälzischem Privileg, die er in Kompanie mit seinen Schwägern Christian und Martin Möllinger aus Monsheim und mit deren Onkel Johannes Schumacher aus Mannheim betrieb. In der vormaligen Residenzstadt unterhielt Schumacher ein Kontor und Lager, wo er für seine bäuerlichen Verwandten verschiedene Agrarprodukte, allen voran Branntwein und Essig, bevorratete und z. T. von dort aus verkaufte. Dass bereits Johann Jakob Kägy in den 1780er Jahren aus Wein, Kartoffeln und Obst verschiedene Sorten Branntwein hergestellt haben dürfte, lässt sich seinem Kopierbuch entnehmen. Aus der Ehe mit Veronika Möllinger gingen elf Kinder hervor, von denen vier Töchter und drei Söhne überlebten, zu denen der am 17. Mai 1767 geborene David Kägy gehörte, der mit elf Jahren am 29. September 1778 die „Wassertaufe“ in Kriegsheim erfuhr und damit „in die Gemeinde aufgenommen“ wurde.

Mit 21 Jahren heiratete David Kägy 1788 Elisabeth Deutsch vom Hemshof bei Ludwigshafen, die ihm sieben Kinder gebar, von denen aber nur ein Sohn und zwei Töchter überlebten. Kägy übernahm in demselben Jahr ein in Offstein gelegenes Gut im Umfang von 33 ha, das sein Vater von der Güterverwaltung der Reformierten Kirche der Kurpfalz im Erbbestand gepachtet hatte. Offenbar zeigte David schon früh eine begründete Neigung zu akribischer und gewissenhafter Buchführung, denn ganz selbstverständlich legte er bereits 1789 ein Handbuch an, in das er alle die Familie und ihre Geschäftsbereiche betreffenden monetären Transaktionen in personenspezifischen Konten genau vermerkte und verrechnete. Von Kägy sind mehrere Anschreibebücher überliefert, die den Zeitraum von 1789 bis 1839 abdecken. Sie geben z. T. genau über seine Aktivitäten im Agrarhandel, in der Agrarproduktion und im Agrargewerbe Auskunft, für deren geschickte Kombination er sich der einfachen Buchführung konsequent bediente, so dass er über die Kapitalflüsse innerhalb seiner Unternehmungen den Überblick behalten konnte. Mit diesem Habitus kann er dem neuen bäuerlichen Sozialtypus des Bauernkaufmanns zugerechnet werden, der in Rheinhessen bereits von den 1740er Jahren an im Umkreis der mennonitischen Familie David Möllinger senior in Erscheinung getreten war. Auf dieses Merkmal buchführender mennonitischer Bauern hat Ernst H. →Correll in seiner von Max →Weber und Ernst →Troeltsch betreuten Dissertation 1925 erstmals aufmerksam gemacht, ohne allerdings David Kägy ausdrücklich zu erwähnen, der gleichwohl von Christian →Neff in einem informativen biographischen Essay bereits porträtiert wurde. Indem seine Buchführung mit einer bemerkenswert methodischen Lebensführung im Familienleben, in der Gemeindetätigkeit und in der Frömmigkeitspraxis korrespondierte, kommt David Kägy dem von Max Weber hypothetisch formulierten Idealtypus der protestantischen Ethik erstaunlich nahe.

Die Buchführung David Kägys zielte aber nicht nur auf eine moderne, seiner Zeit noch längst nicht selbstverständliche Form rationeller Landwirtschaft, sondern sie diente auch der gewissenhaften Verwaltung des Vermögens von Verwandten und Mitgliedern der mennonitischen Gemeinde Heppenheim. Zu deren Diakon dürfte Kägy spätestens am Ende des ersten Jahrzehnts im 19. Jahrhundert gewählt worden sein. In dieser Funktion war er an allen wesentlichen Entscheidungen der mennonitischen Gemeinde beteiligt, sei es wegen der Befreiung der Mitglieder vom Militärdienst, sei es bei der Ausrichtung der Katechese, als es 1825 um die Einführung eines neuen Katechismus ging, sei es bei der Bestellung professioneller Prediger, womit das Prinzip des Laienpriestertums in Frage gestellt wurde, sei es wegen der schulischen Unterweisung von Kindern und Jugendlichen durch die Gemeinde Ende der 1820er Jahre, deren Unabhängigkeit vom hessen-darmstädtischen Schulministerium David Kägy gewahrt wissen wollte. Zusammen mit dem Prediger Johannes Galle aus dem rheinhessischen Monzernheim bildete er das entscheidende konservative Element im pfälzisch-hessischen Verband mennonitischer Gemeinden und bot insbesondere den liberalen und akademisch gebildeten Predigern Johannes Risser der pfälzischen Gemeinde Sembach und Leonhard Weydmann der rheinhessischen Gemeinde Monsheim verschiedentlich die Stirn, wobei er sich als historisch und religiös gebildeter frommer Laie durchaus Respekt und Achtung unter seinen Zeitgenossen verschaffte.

Auch innerhalb seiner eigenen Familie vertrat er – im Unterschied etwa zu seinem älteren Bruder Christian – einen entschieden konservativen Standpunkt, indem er Mischehen mit Partnern einer anderen christlichen Konfession ablehnte und bei seinen drei überlebenden Kindern auf eine Eheschließung mit mennonitischen Partnern achtete. So erwartete er 1827 von seinem zukünftigen Schwiegersohn Johannes Strohm aus Kriegsheim nicht nur ein deutliches Bekenntnis zum mennonitischen Glauben, sondern auch das Versprechen, es zur Richtschnur für sein weiteres Leben zu machen. Gleichwohl hinderte ihn sein entschieden konfessioneller Standpunkt weder im Alltag noch an seinem Lebensende nicht, sich auch gegenüber seinen anders konfessionell orientierten Mitmenschen immer wieder als mildtätig und großherzig zu erweisen und mit ihnen Freundschaft zu pflegen. Über diese generöse Haltung und Einstellung legen sowohl seine reichhaltige Korrespondenz als auch sein Testament vom 4. September 1841 beredt Zeugnis ab. David Kägy verkörperte wie auch andere Bauernkaufleute seinerzeit ein neues eher klassen-, denn standesspezifisches Bürgertum auf dem Land, das sich u. a. durch beachtliches Vermögen, methodischen Wirtschaftsstil, überregionale Kontakte, breite Bildung und standesübergreifende Freundschaftspflege bemerkbar machte.

Quellen

Verzeichnis von Zu- und Abnahme, wie auch anderer Begebenheiten der Mennoniten Gemeinde Griesheim, in: Archiv der Mennonitischen Forschungsstelle Weierhof/Pfalz. - Johannes Jakob Kägy, Kopierbuch (1794–1811), in: Archiv der Mennonitischen Forschungsstelle Weierhof/Pfalz. - David Kägy, Handbuch (1789–1820), in: Archiv der Mennonitischen Forschungsstelle Weierhof/Pfalz. - David Kägy, Kopierbuch (1811–1837), in: Privatüberlieferung der Familie Kägy auf dem Bolanderhof/Pfalz.

Literatur

Julius Wiggers, Die Taufgesinnten in der Pfalz. Nach den Mitteilungen des Predigers Leonhard Weydmann, in: Zeitschrift für historische Theologie 18 (1848), 499–512. - Christian Neff, Johannes Risser, in: Christlicher Gemeinde-Kalender 23 (1914), 47–73. - Ernst H. Corell, Das schweizerische Täufermennonitentum. Ein soziologischer Bericht, Tübingen 1925. - Christian Neff, David Kaege von Offstein, in: Christlicher Gemeindekalender 34 (1925), 39–63. - Christian Neff, Artikel: Kaege, David, in: Mennonitisches Lexikon, Bd. 2, Frankfurt/M., Weierhof 1937, 449. - Frank Konersmann, Bußzuchtvorstellungen und Kirchenzuchtpraxis bei pfälzischen und rheinhessischen Mennoniten zwischen 1693 und 1852, in: Harm Klueting und Jan Rohls (Hg.), Reformierte Perspektiven, Wuppertal 2001, 179–201. - Ders., Soziogenese und Wirtschaftspraktiken einer agrarkapitalistischen Sonderformation. Mennonitische Bauernkaufleute in Offstein (1762–1855), in: André Holenstein und Sabine Ullmann (Hg.), Nachbarn, Gemeindegenossen und die anderen. Minderheiten und Sondergruppen im Südwesten des Reiches während der Frühen Neuzeit, Epfendorf 2004, 215–237. - Ders., Studien zur Genese rationaler Lebensführung und zum Sektentypus Max Webers. Das Beispiel mennonitischer Bauernfamilien im deutschen Südwesten (1632–1850), in: Zeitschrift für Soziologie 33 (2004), 418–437. - Ders., Handelspraktiken und verwandtschaftliche Netzwerke von Bauernkaufleuten. Die mennonitischen Bauernfamilien Möllinger und Kägy in Rheinhessen und in der Pfalz (1710–1846), in: Mark Häberlein und Christof Jeggle (Hg.), Praktiken des Handels. Geschäfte und soziale Beziehungen europäischer Kaufleute in Mittelalter und Früher Neuzeit, Konstanz 2010, 631–662.

Frank Konersmann

 
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