Legiehn, Julius

geb. am 1. November 1899 in Waldeck, Memrik, Südrussland, gest. am 22. Juni 1978 in Sao Paolo, Brasilien; Lehrer und Oberschulze.

Julius Legiehn besuchte die Elementarschule in Waldeck, Südrussland. Sein Vater Friedrich Legiehn starb 1902, danach zog seine Mutter mit ihren Kindern nach Sibirien in die Gegend von Omsk. Hier durchlief Julius die Mittelschule und bereitete sich anschließend auf den Lehrerberuf vor. Von 1918 bis 1920 unterrichtete er im Dorf Schönfeld und von 1921 bis 1923 im Dorf Tschumajewka. Ab 1924 war er Leiter der höheren deutschen Elementarschule in der Siedlung Tiegerweide im Bezirk Omsk.

1929 wanderte er mit seiner Familie aus Russland aus und begann 1930 als Pionier einer mennonitischen Flüchtlingsgruppe in Schönwiese (Kolonie Fernheim), Paraguay. Bereits im ersten Jahr konnte er in diesem neu gegründeten Dorf als Lehrer arbeiten, und ab 1931 setzte er seine Tätigkeit als Lehrer und Leiter der Zentralschule fort.

Ende 1938 wurde Julius Legiehn zum Oberschulzen der Kolonie Fernheim gewählt. Damit begann für ihn eine sehr spannungsreiche Zeit. Inzwischen waren neue Richtlinien zur Zentralisierung der Koloniewirtschaft beschlossen worden, die einen praktischen Machtzuwachs für den Siedlungsleiter mit sich brachten. Ihm unterstand auch der Schul- und Kulturbereich, für den er sich in der Folgezeit besonders stark einsetzte. In Fritz →Kliewer, der 1939 nach dem Abschluss seines Studiums aus Deutschland zurückgekehrt war, sah Legiehn den Mann, dem er zutraute, das Schulwesen zu verbessern.

Als sich die Koloniegesellschaft in zwei Gruppen spaltete, vertrat Legiehn eindeutig die Sache der deutsch-völkischen Bewegung. Bereits 1938 war er Leiter des Bundes Deutscher Mennoniten in →Paraguay geworden und stand daher auch in Kontakt zur deutschen Gesandtschaft und zum Deutschen Volksbund in Paraguay. Angesichts der sehr schweren wirtschaftlichen Verhältnisse im Chaco war er gemeinsam mit Kliewer zu der Ansicht gelangt, dass der Chaco keine günstigen Voraussetzungen für eine dauerhafte Besiedlung durch die Mennoniten biete und eine Rückkehr nach Deutschland das Gebot der Stunde sei. Die Gruppe der „Wehrlosen“ war damit aber keineswegs einverstanden und rief zum Widerstand auf. Als sich dann noch Widerstand in den Reihen derer, die mit der Koloniewirtschaft und den Machtbefugnissen des Oberschulzen unzufrieden waren, formierte, trat Legiehn von seinem Amt als Oberschulze zurück. Darauf kam es am 11. März 1944 zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gruppierungen und Legiehn musste feststellen, dass seine Vermittlungsversuche erfolglos geblieben waren. Auf Druck der amerikanischen Botschaft mussten die Familien Legiehn und Kliewer (Frau Kliewer war inzwischen einer Typhuskrankheit erlegen) die Kolonie Fernheim verlassen und nach Ostparaguay in die Verbannung gehen.

Von 1948 bis 1950 leitete Legiehn die Kooperative der Kolonie Fernheim, ging dann aber 1952 in die neu gegründete Siedlung Witmarsum, Brasilien, wo er bis 1959 als Geschäftsführer der Kooperative tätig war. Im Jahr 1956 war seine Frau Luise, geb. Isaak, gestorben. Von 1960 bis 1965 war er Redakteur der Zeitschrift Bibel und Pflug und unterrichtete zwei Jahre lang Deutsch und Religion an der Fritz-Kliewer-Schule in Witmarsum. Im Jahr 1972 zog er mit seiner zweiten Frau Wera, geb. Janzen, nach São Paolo, wo er an einem Sprachinstitut Deutsch und Russisch unterrichtete.

Julius Legiehn war ohne Zweifel ein erfolgreicher Oberschulze und Kooperativeleiter, vor allem aber ein begabter Lehrer, der seine Dienste den Mennoniten zur Verfügung gestellte hatte. Er lebte in einer konfliktreichen Zeit, in der die unterschiedlichen Meinungen hart aufeinanderprallten. Er war zwar um Ausgleich bemüht, geriet dabei selber aber unter die Räder, als politische, wirtschaftliche und kirchliche Machtinteressen außer Kontrolle gerieten und keine Konfliktlösungsstrategien vorhanden waren, um die Auseinandersetzungen in sachliche Bahnen zu lenken.

Literatur

Gedenkfeier, in: Bibel und Pflug, 16. Juli 1978. - Heinrich Duerksen, Julius Legiehn, in: Mennoblatt 49, 1978, 17, 5.

Jakob Warkentin

 
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