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Römer, Hans

geb. in Erfurt, gest. am 18. Mai 1535 [?] in Göttingen; Anführer der Täuferbewegung in Thüringen.

Über die Eltern, die Geburt und die Jugend Hans Römers ist nichts bekannt. Nach dem Besuch der Schule dürfte er in Erfurt das Kürschnerhandwerk erlernt haben, doch ließ er sich in Eisenach nieder, wo er heiratete. Über seine Frau und gemeinsame Kinder ist gleichfalls nichts bekannt.

Ins Licht tritt Römer erst im Spätsommer 1524, als er im thüringischen Mühlhausen dem „Ewigen Bund Gottes“ beitrat. Ob er wenig später, Ende September, mit den ausgewiesenen Thomas →Müntzer und Heinrich Pfeiffer die Stadt verließ, ist unbekannt. Doch predigte er im Frühjahr 1525 in Stadt und Gebiet Mühlhausen, ehe er sich nach Frankenhausen begab. Auch hier predigte er. Nach der Schlacht am 15. Mai (→Bauernkrieg) kehrte er möglicherweise nach Mühlhausen zurück und reiste dann ins fränkische Aufstandsgebiet. Den Bildhäuser Haufen rief er im Sinne der apokalyptisch erklärten Ereignisse zur Vernichtung der Obrigkeit auf, fand allerdings nur geteiltes Gehör. Bereits im Juni war er wieder in Thüringen, wanderte aber aus Furcht, erkannt zu werden, unstet umher, bevor er mit einem Anhänger nach Bautzen zog. Auch hier hielt er sich nur wenige Wochen auf. In der Folgezeit suchte er wohl überall im Reich die Verbindung zu Versprengten des Bauernkriegs. Dabei wurde er für das hutsche Täufertum gewonnen. Mit Hans →Hut, den er als Gesinnungsgenossen Thomas Müntzers seit längerem gekannt haben muss, teilte er die Überzeugung von der Wiederkunft Christi im Frühsommer 1528. Anders aber als der zuwartende Hut wollte Römer die Vernichtung der Gottlosen mit einer gewaltsamen Aktion der „Auserwählten“ am Neujahrstag 1528 ins Werk setzen. Zu diesem Zweck erschien er im Laufe des Jahres 1527 wieder in Thüringen und warb Verbündete. Als „bundzeichen“ spendete er ihnen die →Taufe, indem er, ähnlich wie Hut es tat, mit seinem in Wasser getauchten Daumen ein Kreuz auf die Stirn strich und dazu die übliche Taufformel sprach. Darüber sollte geschwiegen werden. Doch konnte, wer solcherart getauft worden war, gewiss sein, während des in elf Monaten einbrechenden Endgerichts bewahrt zu bleiben. Fortan sollte man einander christlich lieben, sündlos leben, auf Eigentum verzichten, der Obrigkeit gehorchen, die katholischen und lutherischen Prediger sowie die von ihnen gereichten Sakramente meiden und notfalls zum Martyrium bereit sein. Das Erkennungszeichen war der Handschlag und der Gruß „Lieber christlicher bruder“. Neben Römer vollzogen auch einige Anhänger die Stirntaufe. Nur sie und andere Vertraute wussten um den zu Neujahr 1528 geplanten Anschlag auf Erfurt. Römer selbst wollte an diesem Tag mit einer Schutztruppe in die Stadt kommen und vor der Stiftskirche St. Mariae seine im Voraus angekündigte Predigt halten, indes Mitstreiter auf dem benachbarten Petersberg geistliche Kurien in Brand stecken sollten. In dem Tumult sollten die vor den Stadttoren versammelten Anhänger hereinströmen und die Obrigkeiten und alle, die sich widersetzten, umbringen. Mit dem Regiment der Täufer sollte das „zurstort Jerusalem“ wieder aufgerichtet und durch den Zuzug anderer Anhänger im Frühsommer über die „ganze welt“ ausgebreitet werden. Als neues Jerusalem war Erfurt allein aufgrund seiner Lage in der Landschaft und seiner Zugehörigkeit zu den größten Kommunen des Reichs, die über ein ausgedehntes Territorium geboten, durchaus repräsentativ. Für Römer war weiterhin wichtig, dass Erfurt seinen „vater Thomaßen Munzern erwurget“ hatte. Damit meinte er offenbar das von der Stadt unbeantwortet gelassene Ersuchen Müntzers um militärischen Beistand, weshalb sie die Schuld trüge am Ausgang der Schlacht bei Frankenhausen und letztlich an der Hinrichtung Müntzers. Obwohl Ende November das Vorhaben verraten worden war, fuhr Römer vorerst fort zu taufen. Mitte Dezember kam er zu einem Täufertreffen nach Magdeburg, wenig später zu einem andern nach Naumburg an der Saale. Zu dieser Zeit waren Steckbriefe bereits unterwegs. In ihnen wird er beschrieben als kraushaariger, in einen grauen Rock gekleideter Mann mit einer runden Narbe über dem rechten Auge. Noch Ende Dezember hatte Herzog Georg von Sachsen ein Täufermandat erlassen, im Januar 1528 taten Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, Kardinal Albrecht von Mainz und Kaiser Karl V. ein gleiches.

Erst jetzt verließ Römer, der für den Fall eines Fehlschlags vorgesorgt hatte, mit zwei Vertrauten das Land und zog nach Basel. Unter dem Einfluss der Schweizer Täufer und der ausgebliebenen Wiederkunft Christi zerbrach seine Militanz. Er wandelte sich zu einem friedfertigen, von ethischem Ernst geleiteten Täufer. Möglicherweise sah er in der →Gütergemeinschaft der mährischen Brüder (→Hutterische Bruderhöfe) eine lebbare Alternative. Doch scheint er sich weder ihnen noch einer andern Täufergemeinschaft angeschlossen zu haben. In späteren Jahren kehrte er nach Thüringen zurück und ließ sich, eventuell mit seiner von ihm getauften Frau, im Eichsfeld nieder. Im August 1534 geriet er aus unbekannter Ursache in die Gefangenschaft des Göttinger Rates, in der er im September von Erfurter Ratsherren zweimal verhört wurde. Seine Auslieferung erreichten sie nicht. An ihr und Römers anschließender Hinrichtung lag ihnen umso mehr, als sie im November einen engen Mitverschwornen fassten, der dem Täufertum inzwischen abgesagt hatte. Doch verwarf der vom Göttinger Rat angerufene Schöppenstuhl in Leipzig die verlangte Todesstrafe, da der Anschlag auf Erfurt nur Plan geblieben war. Nicht ohne Einfluss auf das Verfahren waren der zeitliche Zusammenhang mit der Täuferherrschaft im westfälischen Münster, mehr noch mit neu aufgespürten Täufern im nördlichen Thüringen und daraufhin erlassenen Mandaten, aber auch mit den politischen Verhältnissen in Göttingen und der Beziehung der Stadt zum Landesherrn. Nach einem zweiten, nicht näher bekannten Urteil des Leipziger Schöppenstuhls im März 1535 dürfte Römer am 18. Mai in Gegenwart Erfurter Ratsherren in Göttingen hingerichtet worden sein.

Römer galt als „gelarter“ Mann. Geistig eigenständig war er nicht. In seinen sozialethischen Ansichten, namentlich beim Wucher, scheint sich der Einfluss von Jakob →Strauß zu zeigen, während er sonst Müntzer verpflichtet war, nach dem Bauernkrieg wohl auch Hut. Als Haupt des von apokalyptischer Erwartung erregten, kampfgewillten thüringischen Täufertums besaß er eine kurzzeitige, schon vor seinem Tod verblassende Bedeutung.

Literatur

Reinhard Jordan, Zur Geschichte der Stadt Mühlhausen i. Thür. H. 2. Mühlhausen/Th. 1902, 34. - Paul Wappler, Die Stellung Kursachsens und des Landgrafen Philipp von Hessen zur Täuferbewegung, Münster/W. 1910, 45 f., 104, 132, 185. - Paul Wappler, Die Täuferbewegung in Thüringen von 1526 – 1584. Jena 1913, 38–41, 43–48, 113, 253 f., 256–273, 276–278, 283–290, 293, 362–374. - Gerhard Zschäbitz, Zur mitteldeutschen Wiedertäuferbewegung nach dem Großen Bauernkrieg, Berlin 1958, 67–71. - Hanna Köditz, Zur Ideologie der Täuferbewegung in Mühlhausen in Thüringen, in: Die frühbürgerliche Revolution in Deutschland. Referat und Diskussion zum Thema Probleme der frühbürgerlichen Revolution in Deutschland 1476–1535, hg. von Ernst Werner, Max Steinmetz, Gerhard Brendler, Berlin 1961, 184–193. - Thomas Müntzer, Schriften und Briefe. Kritische Gesamtausgabe. Unter Mitarbeit von Paul Kirn hg. von Günther Franz, Gütersloh 1968, 471 f. - Frank Boblenz, Die Hinrichtung Hans Römers am 18. 5. 1535 in Göttingen, als Ausdruck der antitäuferischen Aktivitäten der Stadt Erfurt, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Halle/S., 1989, 133–135. - James M. Stayer, The German Peasants' War and Anabaptist Community of Goods, Montreal/Kingston/London/Buffalo 1991, 79 f., 83, 89–91. - Gottfried Seebaß, Müntzers Erbe. Werk, Leben und Theologie des Hans Hut, Gütersloh 2002, 185, 187 f., 369, 380, 400. - James M. Stayer, Anabaptists and the Sword. New Edition, Eugene, Or., 2002, 190–193. - Hans-Jürgen Goertz, Apokalyptik in Thüringen, in: Ders., Radikalität der Reformation. Aufsätze und Abhandlungen, Göttingen 2007, 116 f.

Ulman Weiß

 
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