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Rott, Hans Georg (Jean)

geb. am 1. August 1911 in Avricourt, Moselle, gest. am 11. Juli 1998 in Straßburg, Frankreich, Archivar und Historiker, einer der besten Kenner der Geschichte des Elsass und des 16. Jahrhunderts.

Aufgewachsen in einem evangelischen Pfarrhaus, wurde Hans Georg (Jean) Rott nach seiner Schulzeit in Saarburg und Straßburg in der Ecole Nationale des Chartes von Paris als Archivar und Paleograph ausgebildet (1929–1933). Von 1933 bis 1935 wirkte er im Rahmen der Ecole Française de Rome. Von 1937 bis 1946 war er als Sekretär des Centre de recherches historiques alsaciennes tätig, um ein Repertoire der Archive des Elsass herzustellen, das auch Quellen zur elsässischen Geschichte außerhalb des Elsass umfassen sollte. 1938 konnte er die Classicae Epistolae, ein Standardwerk des Humanisten und Rektors der 1538 gegründeten Hohen Schule in Straßburg, Johannes Sturm, in einer historisch-kritischen zweisprachigen Ausgabe veröffentlichen. Von August 1940 bis 1945 wirkte Rott als Archivar am Straßburger Landesarchiv, zusammen mit Karl Stenzel und Manfred Krebs. Von 1946 bis 1963 war er als Bibliothekar an der Straßburger National- und Universitäts-Bibliothek tätig, und von 1964 bis zu seinem Ruhestand 1976 wirkte er als Forschungs-Beauftragter des Centre National de la Recherche Scientifique. Das ermöglichte mehrere fruchtbare Archivreisen, u. a. nach Kopenhagen, Leiden, Cambridge, Rom, Zürich, Paris, um den Briefkorpus von Johannes Sturm und Martin Bucer zu erweitern und deren Veröffentlichung in die Wege zu leiten. 1952 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des internationalen Vereins zur Veröffentlichung von Martin →Bucers Werken. Von Anfang an (1975) war er auch aktiver Mitarbeiter des GRENEP, einer Forschungsgruppe der Straßburger evangelischen theologischen Fakultät (Groupe de recherche sur les non-conformistes religieux des XVIe et XVIIe siècles et l'histoire des protestantismes), und während vieler Jahre war er Mitglied und Ehrenpräsident der Association française d'histoire mennonite et anabaptiste. Zahlreiche Ehrungen würdigten das Werk des Gelehrten. 1975 wurde er aufgrund seiner Arbeiten zum Docteur d'Etat ès Lettres habilitiert, 1977 wurde ihm der Grand Prix de la „Société des Amis du Vieux Strasbourg“ verliehen, und 1980 erhielt er eine Festschrift, Horizons Européens de la Réforme en Alsace. Die Universitäten von Münster in Westfalen (1987) und Neuchâtel (1991) verliehen ihm den Ehrendoktortitel.

Kaum ein anderer Spezialist des 16. Jahrhunderts hat für die Geschichtsschreibung so viele neue Quellen erschlossen und herausgegeben. Zu Sturms Classicae Epistolae (1538) kamen 1959 und 1960, in Zusammenarbeit mit Manfred Krebs, zwei Bände von Quellen zur Geschichte der Täufer (Elsass I. und II. Teil, Stadt Straßburg 1533–1535), die von Rott 1986 und 1988 mit zwei weiteren Bänden (1536–1552) fortgeführt wurden, in Zusammenarbeit mit Marc Lienhard und Stephen N. Nelson. Von 1979 bis 1995 erschienen drei Briefbände Martin Bucers für die Jahre bis 1529. Aufgrund von Rotts Vorarbeiten und der von ihm gesammelten 2700 Briefe konnte die Edition nach seinem Tod weitergeführt werden. Der 7. Band ist 2008 erschienen. Neben diesen großen Quellen-Editionen sind noch eine Reihe anderer Editionen zu erwähnen, wie z. B. die Briefe Johannes →Calvins aus der Sammlung Sarraut, der Aufruf des Straßburger Karmeliter-Lesemeisters Tilman von Lyn (Anfang 1522) und das Pamphlet von Hans von Schore (1527).

Rott hat außerdem ca. 90 Artikel für wissenschaftliche Zeitschriften und Sammelbände verfasst. Zu erwähnen sind noch zahlreiche Beiträge für verschiedene Lexica (Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, 1983 ff; Dictionnaire du monde religieux dans la France contemporaine, L'Alsace, 1987).

Die Einzeluntersuchungen Rotts betreffen die spätmittelalterliche Kirchengeschichte, soziale Bewegungen wie den Bauernkrieg, die Reformation in Straßburg, die Reformation in Frankreich, das Täufertum, Biographien des 16. Jahrhunderts, elsässische Quellenkunde. Sein Interesse galt sowohl dem Alltag der Menschen wie den Institutionen, insbesondere den Schulen und den großen kulturellen und religiösen Strömungen. Er befasste sich sowohl mit den sozialen Gruppen wie mit den einzelnen Personen. Es gibt kaum eine Schlüsselperson im Straßburg des 16. Jahrhunderts, die er nicht durch seine Forschungen in ein neues Licht gestellt hätte, und immer wieder hat er die Verflechtung Straßburgs und des Elsass mit der europäischen Geschichte herausgestellt.

Für die Geschichte der früher oft vernachlässigten →Täufer sind Rotts Forschungen besonders wichtig. In Aufnahme von Vorarbeiten von Johann Adam hat er vier Bände von Täuferakten betreut, die mehrere Dissertationen ermöglichten. Darüber hinaus hat er verschiedene Einzeluntersuchungen veröffentlicht. Durch eigene Beiträge war er an mehreren wissenschaftlichen Kolloquien maßgebend beteiligt, die in Straßburg dem Täufertum und anderen Dissidenten gewidmet waren: The Origins and Characteristics of Anabaptism, 1975; Croyants et sceptiques au XVIe siècle. Le dossier des épicuriens, 1978; Les dissidents du XVIe siècle entre l'humanisme et le catholicisme, 1982; Täufertum und radikale Reformation im 16. Jahrhundert, 1984. Zu diesem letzten Symposium hat Rott u. a. an dem Ausstellungs-Katalog mitgewirkt: L'anabaptisme dans la vallée du Rhin de 1525 à 1750 (1984).

Hochgeschätzt als Historiker und als freundlicher Mensch hat Rott mit vielen Forschern zusammengearbeitet. Immer hilfsbereit, hat er nie gezögert, die vielen Anfragen, die ihn erreichten, zu beantworten. Er stellte die Sache und den Fortschritt in der Wissenschaft über alles, auch über die eigene Ehre.

Werke

Chronologisches Verzeichnis von Rotts Veröffentlichungen bis 1986 in: Investigationes historicae. Eglise et société au XVIe siècle, Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte, hg. von M. de Kroon und M. Lienhard, Strasbourg, 1986, Bd. I, XXI-XXXII (mit Index der Orte und der Personen). - Die Veröffentlichungen von 1986 bis 1996 in: Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, N° 32 (1998), 3306–3307.

Literatur

Vorworte der Investigationes Historicae von M. de Kroon, M. Lienhard. - Marc Lienhard, Jean Rott zum 85. Geburtstag, „…und bringen ihre Garben“, in: Mennonitische Geschichtsblätter 53, 1996, 7–10. - Ders., Adieu à Jean Rott, Revue d´Histoire et de Philosophie Religieuses 78, 1998, 413–415. - Ders., In memoriam Jean Rott (1911–1998), in: Revue d'Alsace 125, 1999, 3–4. - François Joseph Fuchs und Christian Wolff, Jean Rott, in: Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, Nr. 32, 1998, 3305–3307.

Marc Lienhard

 
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