Ouddorp

1. Geschichte der Gemeinde

Die frühesten Berichte über die Zusammenkünfte der Mennoniten in Ouddorp, gelegen auf der Insel Goeree-Overflakkee im Süden der Niederlande, stammen vom 30. Dezember 1622. Diese Mennoniten trafen sich auf einem Dachboden in einem Haus in der Mitte des Dorfes. Auch in dem nahegelegenen Hafenstädtchen der Insel, Goedereede, wohnten und versammelten sich Mennoniten. Das alte Kirchenbuch ist bewahrt worden, es stammt aus dem Jahre 1645. Verschiedene Quellen berichten von der Existenz eines mennonitischen Waisenhauses in Ouddorp im 17. Jahrhundert. Im Jahre 1597 wurde dort tatsächlich ein Gästehaus für die Armenfürsorge im Dorf gegründet, doch bisher wurden noch keine Quellen erschlossen, die dessen mennonitischen Charakter hätten bestätigen können.

Die Gemeinde durchlief die übliche Entwicklung. Zunächst kamen Älteste von auswärts zum Dienst an Taufe und Abendmahl, später wurde ein Lehrer aus eigener Mitte ernannt, in der Person des Paulus Willemsz. Bosland. Hinter dem Haus, wo sich die Gemeinde zu Beginn des 17. Jahrhunderts traf, wurde später eine Schlupfkirche (hidden church) gebaut. 1727 wird zum ersten Mal ein „Haus als Wohnort bei der Menniste Kerck“ genannt. Die Gemeinde war ein Teil der Gruppierung „Zonse Sociëteit“ (Sozietät der Sonne) in Amsterdam und unterhielt zu dieser gute Beziehungen. Seit der Gründung des →Doopsgezind Seminarium in Amsterdam hatten die meisten Prediger in Ouddorp im 18. und 19. Jahrhundert dort ihre Ausbildung erhalten.

Der erste Kreis der Mitglieder war relativ wohlhabend. Die Mitgliederzahl blieb in den ersten 350 Jahren unter 100 Personen, mit einer Spitzenanzahl in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Danach wanderten viele aufgrund der weithin herrschenden Armut nach Nordamerika aus. Mehrmals bestand das Risiko einer Auflösung der Gemeinde, wobei manchmal auch weniger schöne Anlässe – wie eine persönliche Bereicherung – eine Rolle spielten. Zum Glück waren auch immer wieder Menschen da, die den Mut hatten, sich dem entgegenzustellen und dem Ende der mennonitischen Anwesenheit auf der Insel Goeree-Overflakkee erfolgreich entgegenzuwirken.

Der Vorgänger Karel Willem Rössing, der nicht am Seminar studiert hatte, doch der Gemeinde fast vierzig Jahre diente und der in Ouddorp begraben ist, begann 1890 eine Sonntagsschule für Kinder, nach dem Vorbild in Amsterdam. Für eine Dorfgemeinde war das recht früh. Viele Kinder, auch aus reformierten Kirchen, besuchten die mennonitische Sonntagsschule. Während des Zweiten Weltkrieges diente der Prediger Jacob Thiessen der Gemeinde mit Predigt und Seelsorge, er war ein ursprünglich aus der Ukraine stammender Flüchtling. Nach 1946 war die Gemeinde vierzig Jahre lang vakant.

2. Der Aufschwung der Gemeinde im 20. und 21. Jahrhundert

1987 waren weniger als zwanzig Mitglieder übrig geblieben. Noch immer wurde ein wöchentlicher Gottesdienst abgehalten, mit Gastpredigern aus verschiedenen Religionsgemeinschaften. Die Sonntagsschule war ebenfalls noch aktiv. Die Anzahl der Besucher nahm zu. Eine kleine Gruppe aus Mitgliedern und Freunden traf sich seit mehr als fünfzehn Jahren zu einer wöchentlichen Gebetsstunde. Das waren Personen, die auf ein tiefes und einschneidendes Glaubenserlebnis zurückblickten und mit der Nachfolge Jesu Christi in ihrem täglichen Leben Ernst machen wollten. Sie wollten auch ein Zeichen der Freude setzen, wo viele Menschen einer schwermütigen calvinistisch-orthodoxen Glaubenseinstellung anhingen. Piet Bosland und Wijnand Tans, Teilnehmer dieser Gebetsstunde, waren auch Mitglieder im Kirchenrat.

Die kleine Gemeinde traute sich, wieder einen Prediger zu berufen. Die finanziellen Mittel waren dafür zunächst nur für ein einziges Jahr vorhanden; es stammte aus der Pachteinnahme von Grundstücken. Berufen wurde Pfarrer Johannes Smink, Spross aus einem Geschlecht von Predigern, die schon Jahrzehnte lang mit Ouddorp in Verbindung gestanden hatten. Johannes Smink war erfolgreicher Prediger bei den Nazarenern. Dennoch wagte er zusammen mit seiner Familie den Übertritt zu den Mennoniten. Was danach geschah, wird im Glaubenszeugnis der Gemeinde noch immer als ein göttliches Wunder gesehen. Das zögerlich einsetzende Wachstum explodierte. Menschen aus dem Dorf wurden neugierig auf das Wagnis der Mennoniten. Sie kamen zu einem Gottesdienst oder trafen den neuen Pfarrer im Dorf, wurden berührt von dem persönlichen Interesse an ihrem Leben und von der Liebe Gottes. Alles geriet in einen Strudel: Es gab Kinderbetreuung während des Gottesdienstes, Bibelstudium für verschiedene Gruppen, einen ersten Gottesdienst zur Christnacht, deutschsprachige Gottesdienste für die vielen deutschen Touristen in dem Badeort, zu dem Ouddorp inzwischen geworden war, monatliche „Willkommens“-Dienste im Dorfhaus, Religionsunterricht in den staatlichen Schulen und Ansprachen im Radio. Menschen bekehrten sich zum Glauben und begannen, das öffentlich zu bezeugen. Die Gemeinde wuchs vor allem durch Menschen, die schon Jahre lang nicht mehr zur Kirche gegangen waren, und durch Jugendliche, die nach einer kirchlichen Alternative suchten.

Da die alte Schlupfkirche bald zu klein wurde, reiften Pläne heran, eine größere Kirche zu bauen. Nach einigen Jahren wurde es möglich, ein Grundstück im Zentrum des Dorfes anzukaufen, in der Nähe von zwei Parkplätzen. Die Kirche wurde größtenteils in Eigenarbeit gebaut, von kenntnisreichen Mitgliedern und Freunden. Gleichzeitig wurden große finanzielle Opfer für den Kirchenbau erbracht. Die Bauzeit (1991 – 1992) brachte erneut eine Flut an Aktivitäten mit sich und war von einer Atmosphäre der Zusammengehörigkeit geprägt. Viele Freiwillige wurden in verschiedenen Bereichen der Gemeindearbeit aktiv, und darin von der Frau des Predigers bestärkt und begleitet.

3. Entwicklungen in der Gegenwart

Schon bald wuchs der Wunsch nach Ausbreitung. Die Versuche, die Zahl der bezahlten Mitarbeiter zu vergrößern, haben bis zum heutigen Tage nur zu vorübergehenden Lösungen geführt. Doch die Platznot konnte dadurch gelöst werden, dass ein in der Form identisches Gebäude neben dem ursprünglichen gebaut und 2004 fertig wurde. In dieser Zeit stieg die Mitgliedszahl auf über 200 Personen an. In den letzten Jahren scheint sie sich bei 235 Personen zu stabilisieren. Pfarrer Smink blieb bis zu seiner Emeritierung in Ouddorp. Sein Nachfolger, der heutige Pfarrer Edwin de Jong hat ebenso seine Wurzeln in der Kirche der Nazarener. Nach der Teilnahme an einem Aufbaustudium am Doopsgezind Seminarium in Amsterdam und und nach dem Examen zum Predigtamtskandidaten arbeitet er jetzt nebenher an einer Dissertation zum Thema der „Rechtfertigung“ im ökumenischen Kontext.

Literatur

K. Vos, 'De doopsgezinden te Ouddorp – Goedereede', in: Doopsgezinde Bijdragen oude reeks 47, 1907, 152–169. - B. Krol, 'Een doperse beguuchelaar', in: Warm Werk, evangelische vernieuwing in gemeenten, Leiden 1996, 72–80. - W. Stuve, Kroniek van de doopsgezinde gemeente Ouddorp, Hellevoetsluis 2011. - Ders., Leraren van de doopsgezinde gemeente Ouddorp, predikers en predikanten, ab 1638, Hellevoetsluis 2011. - Edwin de Jong, De huidige Doopsgezinde Gemeente Ouddorp in perspectief, in: Doopsgezinde Bijdragen 39, 2013, 67 – 74. - Elma Posthuma-Grinwis, 'Een opmerkelijke geschiedenis! De Doopsgezinde Gemeente te Ouddorp', in: Doopsgezinde Bijdragen 39, 2013, 75 – 106.

Website: http://www.doopsgezindouddorp.nl/

Elma Posthuma-Grinwis

 
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