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Huter, Jakob
geb. um 1500 in Moos bei St. Lorenzen (Pustertal), Tirol, gest. Ende Februar/Anfang März 1536 in Innsbruck, Österreich (verbrannt); Vorkämpfer der Täufer in Tirol, Begründer und Namensgeber der heute noch bestehenden Hutterischen Kirche. In den 1530er Jahren organisierte Huter die Auswanderung von Tiroler Täufern nach Mähren, predigte und taufte auf geheimen Versammlungen in Tirol und gab den gütergemeinschaftlich lebenden Täufern in Mähren grundlegende Strukturen.
Jakob Huter wuchs in Moos auf dem Pröslhof auf. Er erlernte das Handwerk eines Hutmachers bei seinem Vetter Caspar Huter in Stegen, der später fürstbischöflicher Fischer in Prags und entscheidend an der Festnahme des hutterischen Sendboten Onophrius Griesingers beteiligt war. Über den Ziegenhirten Wölfl aus dem Sarntal, der für den Übergang zwischen Katholizismus, Luthertum und frühem Täufertum in Tirol steht und bis 1526 als Prediger durchs Land zog, kam Huter in Kontakt mit täuferischen Ideen. Caspar Huter sagte später im Verhör aus, dass Jakob sich nach der Begegnung mit Wölfl in Bozen ein Neues Testament gekauft und in der folgenden Zeit begonnen habe, es zu studieren und ihm, Caspar, und seinem Hausgesinde daraus zu predigen. Caspar Huter sei damit nicht einverstanden gewesen, so dass Jakob sein Haus verlassen habe und nach Spital an der Drau gegangen sei. Huters Schwester, Agnes Huterin aus Moos, war ebenfalls Täuferin und wurde Anfang 1529 im Gericht St. Michaelsburg inhaftiert.
1529 kehrte Jakob Huter nach Tirol zurück und gründete eine erste Gemeinde in Welsberg, im hinteren Pustertal. Noch in demselben Jahr wurde die Gemeinde jedoch ausgehoben. Während einige Mitglieder ins Gefängnis geworfen wurden, konnte Jakob Huter entkommen. Die harte Verfolgung erschwerte das Leben der Täufer in Tirol immer mehr, so dass sich mit der Auswanderung nach Mähren eine Alternative eröffnete. Die Tiroler Täufer schlossen sich vor allem der Gemeinde in Austerlitz an, die von Jakob Wiedemann geleitet wurde und 1528, nach den Auseinandersetzungen mit Balthasar →Hubmaier und der Abwanderung aus Nikolsburg, die →Gütergemeinschaft eingeführt hatte. 1529 kam Jakob Huter nach Austerlitz, um sich über die Lebensweise der dortigen Täufer zu informieren. Die Gespräche verliefen zufrieden stellend. Die Austerlitzer akzeptierten Huter als Repräsentanten ihrer Gemeinde, und Huter wiederum sah die Austerlitzer Gemeinde als Modell- und Muttergemeinde für die Tiroler Täufer an. Huter predigte nun offenbar auch in Tirol verstärkt über die Gütergemeinschaft und führte eine gemeinsame Kasse und das Amt eines „Dieners der Notdurft“ ein.
In den folgenden Jahren erlebte die frühe täuferische Gemeinde in →Mähren zwei Spaltungen, in die Jakob Huter zentral involviert war. Ende 1530 regte sich unter dem Einfluss des schwäbischen Täufers Wilhelm →Reublin einige Kritik am Ältesten Jakob Wiedemann, der unter anderem Privilegien für die Ältesten eingeführt hatte und sich nach Wahrnehmung Reublins und seiner Anhänger durch einen autoritären Führungsstil auszeichnete. Reublin und der aus Tirol stammende Jörg Zaunring verließen im Januar 1531 Austerlitz und siedelten sich in Auspitz an. Im Frühjahr des gleichen Jahres brachen Jakob Huter und sein Assistent Sigmund Schützinger von Tirol aus nach Mähren auf, um sich über die Lage zu informieren. Nachdem Reublin im Sommer desselben Jahres wegen des Besitzes eines kleinen privaten Vermögens aus der Gemeinde ausgeschlossen worden war, reorganisierten Huter und Schützinger die Auspitzer Gemeinde. Sie setzten Jörg Zaunring als Diener des Wortes ein, während Huter und Schützinger selbst weiterhin als Sendboten die Verbindung zwischen Tirol und Mähren herstellten. Doch die Auspitzer Gemeinde blieb nicht von weiteren Auseinandersetzungen verschont. Zaunring geriet mit seinen Stellvertretern, Adam Schlegel, Burkhart von Ofen und David von Schweidnitz, über Fragen der Glaubenspraxis, unter anderem über die Wehrlosigkeit, in Konflikt. Huter und Schützinger kehrten um Ostern 1532 nach Auspitz zurück, und auf Druck Jakob Huters wurde nun Sigmund Schützinger als Ältester eingesetzt. Auch diese Konstellation hielt nicht lange – Anfang 1533 äußerten zahlreiche Gemeindemitglieder ihre Unzufriedenheit mit der Führung Schützingers. Als diese Nachrichten durch Hans Amon nach Tirol gelangten, entschieden die dortigen Täufer, dass Amon Huters Aufgaben in Tirol übernehmen, während Huter in Mähren für Ordnung sorgen sollte.
Huters Rückkehr nach Mähren führte schließlich zur großen Spaltung von 1533, die das Entstehen der später „Hutterer“ genannten Gemeinde markiert (→Huttereische Bruderhöfe). Als Jakob Huter im Sommer 1533 in Mähren ankam, war seine Führungsrolle dort keineswegs allgemein anerkannt. Nach einigen Führungskämpfen, die damit endeten, dass Schützinger sein Amt verlor, weil er über privates Eigentum verfügte, wurde Huter im Oktober zum neuen Ältesten gewählt.
Die verschiedenen Auseinandersetzungen, die die täuferische Gemeinde in Mähren seit 1531 geprägt hatten, spitzten sich im Oktober 1533 noch einmal in den Gesprächen zu, die Jakob Huter mit den Leitern der benachbarten täuferischen Gemeinden, Gabriel Ascherham und Philipp Plener, führte. Diese Gespräche drehten sich einerseits um die angeblich parteiisch ausgerichtete Bestrafung, die Huter ehemaligen Gemeindemitgliedern hatte zukommen lassen. Gleichzeitig warfen beide den Gemeindemitgliedern in Auspitz vor, Huter zu vergöttern. Im November desselben Jahres schließlich brachen Huter und seine Anhänger alle Kontakte zu den Gemeinden Gabriel Ascherhams und Philipp Pleners ab.
In den folgenden Jahren baute Jakob Huter gezielt die mährisch-täuferische Gemeinde strukturell und institutionell auf und übernahm wieder die Rolle eines Sendboten, der zwischen Mähren und Tirol hin- und herreiste. Er predigte und taufte bei geheimen Versammlungen, feierte das Abendmahl und organisierte die Ausreise von Tiroler Täufern. Die Briefe Huters zeugen von seinen Erfahrungen während der Reisen, Verhöre gefangener Täufer überliefern die Tätigkeiten Huters. So berichtete beispielsweise Michael Ebner aus Hörschwang von einer Versammlung, die Weihnachten 1531 unter der Leitung Jakob Huters in dem kleinen Bergdorf Hörschwang, südlich von St. Lorenzen, stattfand. Die Täufer trafen sich im Haus des Hans Obern, wo Huter predigte und taufte. Huter habe vor allem die Kirche und deren missbräuchliche Praktiken angesprochen und unter anderem gesagt, man brauche nicht in die Kirche zu gehen, denn der Tempel, von dem Jesus Christus gesprochen habe, sei einzig und allein das Herz. Der Gottesdienst der Priester dagegen sei Abgötterei, das Altarssakrament nur „ain brot“, und was die Priester daraus machten, nichtig. Maria und die Heiligen könnten keine Fürsprecher bei Gott sein, denn man sollte „Gott allein anrueffen“. Huter erwähnte auch die Obrigkeiten, die, sofern sie sich nicht bekehrten, „recht haiden“ seien.
Als im März 1535 eine Verfolgung in Mähren ausbrach, die sich auf Grund eines polemischen Briefs Jakob Huters an den mährischen Landeshauptmann intensivierte, entschloss sich die Gemeinde, Huter wieder nach Tirol zurückzuschicken. Diese Rückkehr, die Huter gemeinsam mit seiner Frau Katharina →Huterin antrat, stellte die letzte Reise des täuferischen Führers dar. Die Obrigkeiten waren kurz nach seiner Ankunft auf seine Anwesenheit aufmerksam geworden und starteten eine konzertierte Aktion, um die Täufer gefangenzunehmen. Im November 1535 ordneten sie die Durchsuchung verdächtiger Häuser an – eine Aktion, die schließlich zum Erfolg führte. Jakob Huter, seine Frau Katharina und Anna Stainer, die Frau des Meßners in Klausen, wurden in Gufidaun gefangen genommen und nach Burg Branzoll gebracht. Während die Frauen in Klausen blieben, überführten die Obrigkeiten Jakob Huter nach Innsbruck, wo er verhört und gefoltert wurde. Das hutterische Geschichtbuch überliefert, dass die Obrigkeiten ihn in eiskaltes Wasser setzten, ihn schlugen und dann Branntwein in die Wunden gossen, schließlich führten sie ihn vor seiner Hinrichtung in die katholische Pfarrkirche. Ende Februar oder Mitte März – die Quellen sind hier nicht ganz eindeutig – wurde Jakob Huter in Innsbruck auf dem Platz vor dem „Goldenen Dachl“ verbrannt.
Interessanterweise hat Jakob Huter im historischen Gedächtnis der Hutterer bis heute nie den Rang eines herausstechenden Religionsstifters eingenommen. Dies könnte damit zusammenhängen, dass seine schriftliche Hinterlassenschaft außer den fünf Briefen nur sehr gering ist und keine wesentlichen bekenntnisbildenden Schriften umfasst.
Quellen
Fünf Briefe, in: Georg Fischer, Jakob Huter – sein Leben und Wirken – ein Zeugnis evangelischer Frömmigkeit im 16. Jahrhundert, phil. Diss., Universität Wien 1949. - Die Hutterischen Episteln, 4 Bde., hg. von den Hutterischen Brüdern in Amerika, James Valley 1986–1991.
Literatur
Georg Fischer, Jakob Huter – sein Leben und Wirken – ein Zeugnis evangelischer Frömmigkeit im 16. Jahrhundert, phil. Diss., Universität Wien 1949. - Georg Loesche, Archivalische Beiträge zur Geschichte des Täufertums und des Protestantismus in Tirol und Vorarlberg, in: Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 47, 1926, 1–156. - Johann Loserth, Der Anabaptismus in Tirol von seinen Anfängen bis zum Tode Jakob Huters (1526 bis 1536). Aus den hinterlassenen Papieren des Josef R. v. Beck, in: Archiv für österreichische Geschichte 78, 1892, 427–604. - Werner O. Packull, Die Hutterer in Tirol. Frühes Täufertum in der Schweiz, Tirol und Mähren (Schlern-Schriften, 312), Innsbruck 2000.
Astrid von Schlachta