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Rinck, Melchior

geb. im Hebst 1493, Todesjahr unbekannt; hessischer Täuferführer.

Wolfgang Breul hat es aufgrund eines württembergischen Täufergutachtens sehr wahrscheinlich gemacht, dass der bedeutende hessische Täuferführer Melchior Rinck mit dem in der Leipziger Matrikel genannten Studenten Melchior Schnabel aus Allendorf in Hessen identisch ist, der von 1512 bis 1516 an der Artes-Fakultät der Universität Leipzig studierte. 1516 veröffentlichte er in Leipzig bei Jakob Thanner einen Gedichtsband. In dem auf den 13. April 1516 datierten Vorwort gibt er sein Alter mit 22 ½ Jahren an, so dass er im Herbst 1493 geboren sein dürfte. Er bezeichnete Johannes Lang aus Lemberg und Georg Koel aus Au (Aubanus) als seine Lehrer. Sie gehörten zu den humanistisch gesinnten Dozenten. Lang unterstützte Rinck finanziell, der wohl zu den ärmeren Studenten gehörte und möglicherweise aus bäuerlichen Verhältnissen stammte. Rinck genoss erhebliches Ansehen, weil er 1514 als einziger Bakkalaureus der Philosophie an zwei Publikationen mit universitätsoffiziellem Charakter beteiligt war. Sein Name wird zunächst mehrfach bei Disputationen genannt, nach 1516 nicht mehr. Möglicherweise ist er nach Jena gezogen, denn das Täufergutachten vermerkt, dass Rinck dort eine Vorlesung über den „griechischen poeten“ Hesiod gehalten habe. Trifft dies zu, dann könnte er auch dort mit Georg Witzel bekannt geworden sein und die Hinwendung des Humanistenkreises zu Martin Luther zwischen 1518 und 1521 erlebt haben. Pfingsten 1523 wird er als Kaplan der Hersfelder Stadtkirche erwähnt, wo er im Sinne Luthers predigte. Zusammen mit Pfarrer Heinrich Fuchs bemühte er sich um Reformen. Es kam zu Unruhen in der Stadt, so dass Landgraf Philipp beide des Landes verwies. Durch den Eisenacher Reformator Jakob →Strauß erhielt Rinck eine Pfarrstelle in Eckhartshausen, wo er Anna, die Tochter des angesehenen Hans Eckart Ende 1524/Anfang 1525 ehelichte. In der Rückschau (1531) beklagte sich Rinck, dass Anna ihn nur unter elterlichem Druck und „nicht aus liebe und freiwilligen herzen, sunder aus gesuch ruwiger tage“ geheiratet habe (Franz, WTA 34).

Ruhige Tage stellten sich nicht ein, weil er an der Schlacht bei Frankenhausen auf Seiten Thomas →Müntzers teilnahm, es aber bestritt, ein Erreger des Aufruhrs gewesen zu sein (WTA 31). Er floh und ist erst wieder im Januar 1527 aktenkundig, als er daran beteiligt war, den Prediger Johann Bader in Landau für das Täufertum zu gewinnen. Kurz davor muss sich auch seine eigene Hinwendung zu den Täufern unter dem Einfluss von Hans →Denck vollzogen haben. Als Bader eine Warnung vor dem abgöttischen Orden der Wiedertäufer veröffentlichte, schrieb Rinck eine geharnischte Widerlegung. In Landau (20. Januar 1527) und Worms (13. Juni 1527) trat er bei öffentlichen Disputationen auf. Im Sommer 1528 war Rinck wieder in der Hersfelder Gegend und wollte vor der Gemeinde in Hersfeld öffentlich predigen. Der Landgraf zitierte ihn auf sein Jagdschloss Friedewald und stellte ihn vor die Wahl, öffentlich zu widerrufen oder seine Lehre vor den Gelehrten der Marburger Universität zu rechtfertigen. Am 17./18. August 1528 fand unter Vorsitz des Rektors und auf der Grundlage einer Anklageschrift des Hersfelder Predigers Balthasar Raide sowie einer fünf Punkte umfassenden Berechnung meines glaubens durch Rinck die Disputation statt. Weil Gott Liebe ist, so argumentierte Rinck, hat er die Menschen zum Bildnis der Liebe geschaffen, dass sie Gott und den Nächsten lieben sollen. Durch Unglauben und Verachtung des göttlichen Wortes sind sie aber zum Bildnis der falschen Liebe, die das Ihre sucht, geworden. Nur durch wahren Glauben und „Wiederkehrung zum Wort Gottes“, nicht aber durch das Gesetz, kann das wahre Bildnis wiederhergestellt werden. Hier und bei anderen Fragen gab es zwischen den Kontrahenten Übereinstimmung. In den Fragen von →Taufe und →Abendmahl jedoch stießen die Meinungen aufeinander. Rinck beharrte darauf, dass Martin →Luther Unrecht habe, denn die Taufe sei nur für solche, die „sich bessern, von sunde abstehen, puss tun wollen, gleuben die verziehung der sunde“, was mit biblischen Belegstellen untermauert wird. Kinder haben trotz Erbsünde keine Schuld, so dass es keine Notwendigkeit für die Kindertaufe gebe. Weil Säuglinge nicht hören können, haben sie keinen Zugang zum Glauben; daher ist die Kindertaufe keine rechtmäßige Taufe. An anderer Stelle bezeichnet Rinck die Kindertaufe als Bankett mit dem Antichristen, während in der Glaubenstaufe die gläubige Gemeinde sich mit ihrem rechten Bräutigam verbindet. Das Ziel der Taufe besteht in nichts Geringerem als in einer „Gemeinde der Heiligen“, auf die ein Fürst keinen Zugriff haben darf. Auch die lutherische Abendmahlslehre lässt sich „mit gottlicher und ongefelschter schrift nit erhalten“ (WTA, 8 f.). Deutlich ist, dass Rinck Schrifttheologe sein will. Er beruft sich auf keine inneren Offenbarungen und ist auch keiner spiritualistischen Schriftauffassung verpflichtet.

Rinck wurde des Landes verwiesen, tauchte in Franken auf, wo er um Allerheiligen 1528 in Schalkhausen den Pfarrer Hans Hechtlein taufte, war aber im März 1529 wieder in Hessen. Besonders in Sorga hatte er Erfolg. Seine eifrige Missionstätigkeit im hessisch-thüringischen Grenzgebiet erregte das Missfallen bei Amtleuten auf beiden Seiten. Man verlangte seine Hinrichtung, Landgraf Philipp ließ jedoch aus Gewissensgründen keinen Menschen um seines Glaubens willen hinrichten. Rinck wurde in Haina gefangen gehalten, wo sein Schwiegervater ihn aufsuchte, um die Scheidung von seiner Tochter zu erreichen. Rinck blieb unnachgiebig: Nur bei Ehebruch sei eine Scheidung zulässig. Im Übrigen sei die obrigkeitliche Verfolgung Schuld an seiner Situation. Im Mai 1531 wurde er freigelassen und setzte seine Tätigkeit um Hersfeld, in Vacha und im Amt Hausbreitenbach fort. Am Martinstag 1531 wurde er in Vacha verhaftet. Neun Jahre verbrachte er in Braubach (Niedergrafschaft Katzenelnbogen) in einem tiefen Turm. Am 26. Dezember 1538 sandte Landgraf Philipp den zur Landeskirche bekehrten Täufer Peter Tasch zu Rinck, um ihn umzustimmen, was nicht gelang. Martin →Bucer verwandte sich für ihn und bat den Landgrafen um erleichterte Haftbedingungen. Rinck wurde auf die Burg Rheinfels verlegt, wo es 1553 noch zu einer Disputation mit dem Superintendenten Goltwurm kam. Wann Rinck gestorben ist, konnte bisher nicht ermittelt werden.

Quellen und Schriften

Günther Franz (Hg.), Urkundliche Quellen zur hessischen Reformationsgeschichte, Bd. IV: Wiedertäuferakten 1527–1626, Marburg 1951 (WTA). - Gerhard Neumann, A Newly Discovered Manuscript of Melchior Rinck, in: Mennonite Quartely Review XXXV, 1961, 197–217 (Es handelt sich um die „Widerlegung eyner schrifft So Johannes Bader, vermeynter pfarrher zu Landau, newlichg than hat, den Kindertauff als Christlich zuerhalten; Item vedmanung vnd warnung an alle so in der Obrigkeit sind“).

Literatur

Erich Geldbach, Die Lehre des hessischen Täuferführers Melchior Rinck, in: Jahrbuch der hessischen kirchengeschichtlichen Vereinigung, 21. Bd., Darmstadt 1970, 119–13 (im Anhang ein Brief und ein Tauftraktat Rincks). -Heinrich Benhausen, Die Geschichte der osthessischen Täufergemeinden, 2 Bde., Giessen 1991. - Werner O. Packull, Art. Rinck, Melchior, in: Theologische Realenzyklopädie Bd. 29, 1998, 215–218 (Lit.). - Wolfgang Breul, Vom Humanismus zum Täufertum. Das Studium des hessischen Täuferführers Melchior Rinck an der Leipziger Artistenfakultät, in: Archiv für Reformationsgeschichte 2002, 26–42 (Lit.).

Erich Geldbach

 
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