Zürcher, Isaac
geb. am 15.3.1920 in Tramelan, gest. am 31. 12. 2011 in Bern, Schweiz; Mitbegründer der Mennonitengemeinde Bern und des Schweizerischen Vereins für Täufergeschichte.
Isaac Zürcher wuchs in Le Cernil bei Tramelan im Berner Jura als ältester Sohn von Elise und Samuel Zürcher-Geiser auf. 1927 wurde er in die Täuferschule auf La Pâturatte eingeschult, später zog die Familie nach Le Chalet um, von wo aus er die Täuferschule auf Montbautier besuchte. 1936 ließ er sich taufen und in die Altevangelische Taufgesinnten-Gemeinde →Sonnenberg aufnehmen. Bald arbeitete er auf dem elterlichen Hof mit und besuchte die Landwirtschaftsschule in Courtemelon bei Delémont.
Als sich die geplante Übernahme des Hofes Le Jeanbrenin nicht realisieren ließ, zog Isaac Zürcher nach Bern und trat eine Stelle bei der Post an. Aus der 1947 geschlossenen Ehe mit Marguerite Geiser von La Tanne gingen vier Kinder hervor. 1959 zählte Isaac Zürcher zu den Mitbegründern der Mennonitengemeinde Bern. Zahlreiche Weiterbildungen ermöglichten ihm 1964 den Wechsel in die Bundesverwaltung, wo er im Bereich der Landwirtschafts-Statistik bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1985 arbeitete. Nach jahrzehntelangem Engagement als Prediger und Ältester der Mennonitengemeinde Bern erfolgte 1988 infolge aufgetretener Spannungen sein Wechsel zur Freien Missionsgemeinde Bern. Nach beidseitigen Anstrengungen erfolgte später aber eine Klärung und Aussöhnung. Isaac Zürcher starb am 31. Dezember 2011 und wurde am 6. Januar 2012 in Bern beerdigt.
Neben seinem großen Engagement in Beruf, Familie und Gemeinde war die Imkerei eines der großen Hobbys, denen Isaak Zürcher nachging. Wahrscheinlich noch nachhaltiger als die Honigproduktion ist in seinem Leben allerdings etwas anderes gewesen: seine große Leidenschaft für die Täufergeschichte. Selber entstammte er einer täuferischen Familientradition und fühlte er sich der Geschichte und dem Glauben dieser von ihm immer wieder gern als „älteste evangelische Freikirche“ bezeichneten Bewegung der Täufer zeitlebens eng verbunden. Diese Verbundenheit ließ ihn eine Reihe von Initiativen ergreifen, welche sich als sehr nachhaltig erweisen sollten.
So war Isaac Zürcher einer der Hauptinitiatoren für die 1973 erfolgte Gründung des →Schweizerischen Vereins für Täufergeschichte. Als erster Präsident leitete er die Geschicke dieser Organisation bis zu seinem Rücktritt im Jahr 1984 und trug maßgeblich zum Aufbau und zur Konsolidierung des Vereins bei.
Ein wichtiger Schritt war zunächst die Veröffentlichung eines vereinseigenen Jahrbuches im Jahr 1978, welches bis 1989 unter dem Titel Informationsblätter, danach als Mennonitica Helvetica erschien. Bei den ersten zehn Ausgaben bis 1987 fungierte Isaac Zürcher als Schriftleiter und Redakteur. (→Zeitschriften) Er war es auch, der einige der umfangreichsten und kenntnisreichsten Artikel beisteuerte – etwa eine dreiteilige Serie über Täuferbibeln, längere Aufsätze über die Täufer um Bern und im Jura oder die Edition der Trennungsbriefe aus der Entstehungszeit der →Amischen.
Am nachhaltigsten wirkte Isaac Zürcher für die Erforschung von Geschichte und Theologie des Täufertums wohl mit seinem Aufbau der vereinseigenen Dokumentationsstelle auf dem →Bienenberg bei Liestal. Die überwiegende Mehrheit der mittlerweile (2012) über 4000 Bücher und Zeitschriften, der Aktenordner und Kartensammlungen ist ganz maßgeblich seiner Sammeltätigkeit, seinem antiquarischen Spürsinn und seinem Verhandlungsgeschick zu verdanken.
Wer über eine derart lange Zeit so viel in täuferische Geschichte und Glaubenszeugnisse investiert hat, den muss dazu mehr als bloße Sammelleidenschaft bewogen haben. Beschäftigung mit Geschichte, zumal jener des Täufertums, war für Isaac Zürcher kein bloßer Selbstzweck. Beeindruckt von der Glaubenspraxis vieler Täuferinnen und Täufer früherer Jahrhunderte, fasziniert auch von der Aktualität täuferischer Anschauungen, war für ihn Täufergeschichte ein Sprungbrett, um auch heute selbstkritisch und einsatzfreudig, gegenwartsbezogen und zukunftsorientiert über ein glaubwürdigeres Christuszeugnis in dieser Welt nachzudenken.
Veröffentlichungen (Auswahl)
Die Täuferbibeln, in: Informationsblätter (IB) 4, 1980–1981, 10–43; 6, 1983, 13–56; 7, 1984, 6–59. - Versammlungsort der Täufer in der Verfolgungszeit, in: IB 5, 1982, 14–40. - Die „Täufernamen“ in der Schweiz, in: IB 8, 1985, 28–61. - Die Täufer um Bern in den ersten Jahrhunderten nach der Reformation und die Toleranz, in: IB 9, 1986, 1–88. - Die Ammann–Reist Kontroverse, in: IB 10, 1987, 3–17 sowie (als Herausgeber der „amischen Spaltungsbriefe“) Briefsammlung, in: IB 10,1987, 26–79. - Die Alttäufer im Fürstbistum Basel 1700–1890, Mennonitica Helvetica (MH) 15/16 (1992/1993) 7–107. - Herausforderungen für die Schweizer Mennoniten durch die Erweckungsbewegung, in: Hanspeter Jecker und Bernhard Ott (Hg.), Gemeinsame Vergangenheit!? Gemeinsame Zukunft!? Referate der Tagung vom 19. und 20. Juni 1993, Liestal 1993, 22, 35. - Für weitere Beiträge vgl. http://mennonitica.ch/mennonitica-helvetica/.
Literatur
Nachruf in MH 34/35, 2011/2012.
Hanspeter Jecker