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Bauernkrieg

1. Bauernkrieg im Überblick

Der Deutsche Bauernkrieg von 1524 bis 1525 war der Höhepunkt einer langen Reihe ländlicher Erhebungen, die zu Beginn des 14. Jahrhunderts einsetzten und erst in den Anfängen des 19. Jahrhunderts ihr Ende fanden. Der Bauernkrieg der Reformationszeit konzentrierte sich auf Ober- und Mitteldeutschland, betroffen waren die Nordostschweiz, der Schwarzwald, das Elsass, Oberschwaben, Südtirol, Württemberg, Salzburg, Franken und Thüringen. Schätzungen, die auf das 16. Jahrhundert zurückgehen, belaufen sich auf ca. 300.000 Teilnehmer an den kriegerischen Auseinandersetzungen, ca. 100.000 Aufständische liessen dabei ihr Leben. Die Erhebungen waren lokal begrenzt, so dass die regionalen Haufen sich nur selten gegenseitig zur Hilfe kamen. Die Niederschlagung dieser Bewegung des „gemeinen Mannes“ war vor allem das Werk des Schwäbischen Bundes, der die Hauptgebiete des Aufstands mit seinem Heer überzog, das vom März bis Juli 1525 unter dem Befehl des oberschwäbischen Grundherrn Georg Truchsess von Waldburg stand. Die Aufstände im Elsass und in Thüringen wurden in militärischen Feldzügen jeweils von Herzog Anton von Lothringen bei Zabern und von den vereinigten Heeren Herzog Georgs von Sachsen und Philipps von Hessen im Mai 1525 bei Frankenhausen niedergeschlagen.

Diese Bewegung wurde von Mitgliedern nicht privilegierter Stände in den Regionen, die von den Aufständen erfasst worden waren, getragen: von Dorfbewohnern, Einwohnern von Marktflecken, Personen außerhalb der Zunftführung und des Patriziats in den Städten und von Bergknappen. Diese Gruppen ließen sich von den biblischen Idealen sozialer Gerechtigkeit inspirieren, wie sie in den frühen Jahren der Reformation propagiert wurden. Die Erhebung begann als bewaffneter Boykott der ländlichen Grundherren, sowohl klerikaler als auch adliger Herren, und stand im Zeichen einer friedlichen Beilegung der Beschwerden. Die Beschwerden waren von Ort zu Ort andere, vor allem aber konzentrierten sie sich auf die Verletzungen der göttlichen Segnungen in 1. Mos. 1, 28 f., wo die Menschen zu Nutznießern der Natur gemacht wurden – der Fische und des Wildes, der Flüsse, Wälder und Wiesen. In allen ländlichen Erhebungen wurde gegen die Aneignung dieser gemeinsamen Ressourcen (Allmende) durch Grund- und Landesherren protestiert. Der soziale Stand, der sich am stärksten zum Widerstand entschlossen hatte, war die traditionelle Elite im Dorf, die über lebenslange oder vererbbare Pachtrechte an dem Land verfügten, das sie bewirtschafteten, und die das Leben der zahlreichen Häusler, landlosen Arbeiter und Knechte in den Dörfern beherrschten. In den frühen Tagen der Reformation erzeugte das Eintreiben des Kirchenzehnten durch Klöster und Domkapitel eine Stimmung von wirtschaftlich motiviertem Antiklerikalismus unter den Anführern auf dem Lande, die danach strebten, ihre örtlichen Kirchen und die Einnahmen zu kontrollieren, die für deren Unterhalt erhoben wurden. Eine andere Quelle der Auseinandersetzung zwischen Klerus und Adel auf der einen und den Menschen, die das Land bearbeiteten, auf der anderen Seite waren Wucherverträge, mit denen die Bauern gezwungen wurden, jährliche Zahlungen auf Teile ihres Landes zu leisten oder auf Kredite, die ihnen von den Herren gewährt worden waren. Oft hatten die Bauern keine Gelegenheit, das Geld für die Rückzahlung der Anleihen zu erwirtschaften.

Die Weigerung, den Kirchenzehnten zu zahlen, setzte in so unterschiedlichen Zentren der Reformation wie dem Rheinland und Franken 1523 ein, wo Reichsritter den Angriff der antiklerikalen Ritterrevolte 1522/23 anführten, und in den Dörfern der reformbereiten Städte wie Nürnberg und Memmingen. Im Jahr 1524 schrieb der entlaufene Mönch Otto Brunfels eine einflussreiche Flugschrift über den Kirchenzehnt, in der er darauf bestand, dass kirchliche Abgaben zwar ordnungsgemäß an weltliche Herren, Gemeindepfarrer oder die Armen geleistet werden könnten, nicht jedoch an päpstliche Institutionen wie Klöster oder Domkapitel. Im Mai und Juni 1524 weigerten sich Bauern im Schwarzwald an den nördlichen Grenzen der Schweizer Eidgenossenschaft, ihren finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Klöstern und weltlichen Grundherrschaften nachzukommen. Die schwarzwälder Bewegung kam durch die Aktivitäten Dr. Balthasar →Hubmaiers, den Pfarrer in Waldshut, mit der Reformation in Verbindung. Er forderte die österreichischen Stadtherren heraus, indem er sich offen zur evangelischen Sache bekannte und Verbindungen zur Reformation Ulrich →Zwinglis in Zürich herstellte.

2. Bauernkrieg in Oberschwaben

Seit Anfang 1525 konzentrierte sich die ländliche Opposition gegen geistliche und adlige Grundherren im ländlichen Gebiet Oberschwabens und in der Stadt Memmingen, wo sich der Prediger Christoph Schappeler zusammen mit dem reformationsfreundlichen Flugschriftenautor Sebastian Lotzer gegen den Kirchenzehnt aussprach. Memmingen wurde das Zentrum, das drei beträchtliche Bauernhaufen anzog. Gelegentlich waren diese Haufen bis auf 20.000 Mann angewachsen. Jeder Haufen hatte seine eigenen Beschwerdeartikel formuliert, der Baltringer, der Allgäuer und der Bodenseehaufen. Die Anführer verstanden sich selbst als Anhänger der Reformation. Einst wurde als gesichert angenommen, dass Sebastian Lotzer der eigentliche Autor der zwei wichtigsten Veröffentlichungen des Deutschen Bauernkriegs war, der Zwölf Artikel und der Bundesordnung, die beide in den ersten Märztagen 1525 veröffentlicht wurden. Heute scheint jedoch erwiesen zu sein, dass Christoph Schappeler, gebürtig aus St. Gallen in der Schweiz, der Autor dieser beiden Dokumente war. Das entscheidende Argument, das für Schappeler als den Autor dieser Dokumente spricht, ist die sich immer mehr erhärtende Einsicht, dass er auch der Verfasser der Schrift An die Versammlung gemayner Pawerschafft gewesen sei, die im Mai 1525 in Nürnberg veröffentlicht wurde, ein Traktat, der auf eine klassische Bildung des Autors schließen lässt, über die Lotzer nicht verfügte. Die Zwölf Artikel weisen darauf hin, dass die Reformation keine Quelle von Unordnung und Empörung sein könne, da sie die Botschaft Christi vom Frieden lehre. Die ersten beiden Artikel fordern für die dörflichen Gemeinden das Recht, ihre eigenen Pfarrer zu wählen, ein- und abzusetzen und den Kirchenzehnt ausschließlich für örtliche Belange zu verwenden. Der zwölfte Artikel erhebt die Bibel zur Norm aller Artikel und kündigt an, dass neue Forderungen erhoben werden könnten, sobald ein vertieftes Schriftverständnis solche nahe legen sollte. Alle Artikel werden von Schriftbelegen am Rande bestätigt. Mit der Bundesordnung wurde das erklärte Ziel verfolgt, eine „christliche Vereinigung“ und ein Bündnis zu schaffen, „zum Preis und zur Ehre des allmächtigen, ewigen Gottes, das heilige Evangelium anzurufen und Gerechtigkeit und göttliches Recht zu schützen.“ Ihr Ziel war, Oberschwaben in eine dauerhafte Konföderation aus „stetten, flegken oder dörfern“ nach schweizerischem Vorbild zu verwandeln. Wäre die Bundesordnung erfolgreich gewesen, hätte sie eine kleinere „Eidgenossenschaft“ in der Nähe der Confoederatio Helvetica geschaffen. Das war genau die Situation Graubündens, bevor es auf Grund des schweizerischen Erfolgs gegen Österreich und den Schwäbischen Bund im Schwäbischen Krieg 1499 annektiert worden war. An die versamlung gemayner Pawerschafft wurde geschrieben, nachdem die Entscheidung des Schwäbischen Bundes offenbar geworden war, die oberschwäbischen Bauernhaufen niederzuringen. Diese Schrift rechtfertigte militärischen Widerstand gegen Tyrannei mit Hinweisen auf die historischen Siege der Schweizer und mit der Auffassung, dass eine Erweiterung der Schweiz die Antwort auf die Bedrängnis Oberschwabens sein könnte: „Wer meret Schwyz, der Herren gytz“. Diese Flugschrift weist ausdrücklich auch Martin →Luthers Trennung von Geistlichem und Weltlichem in Von weltlicher Obrigkeit (1523) zurück: „Vund ob sy ymmer vnd ewig vil sagen von zwayen gebotten, nemlich Diuina, betreffend der seel hayl, zum andern Politica, die den gemaynen nutz betreffent. Ach got diyse gebot moegent sich nit von ainander schaiden, dann die Politica gebotte siend auch diuina, die den gemaynen nutz trewlich fürdern“. Mit einer Kombination aus kleineren Schlachten, Verhandlungen und Einschüchterungen gelang es Georg von Waldburg, alle drei oberschwäbischen Haufen Stück um Stück aufzulösen, so dass Schappelers Aufruf zu gemeinsamem Widerstand erfolglos war. Als er in seine Geburtsstadt St. Gallen zurückgekehrt war, wo er als reformierter Pfarrer bis zu seinem Tod 1551 wirkte, unterzog Schappeler den Bauernkrieg einer schmerzlichen Neubewertung: Der Kampf des „gemeinen Mannes" begann als ein religiös motiviertes Streben nach Gerechtigkeit; aber von Gewalt und Habsucht korrumpiert, stürzte er Süddeutschland schließlich in ein Sodom und Gomorra.

3. Täufertum in der Nordostschweiz und im Schwarzwald

Es gibt keine nennenswerte Verbindung zwischen dem oberschwäbischen Zentrum des Bauernkriegs und dem Täufertum, wohl war aber das Täufertum in die bäuerlichen Aufstände im Schwarzwald und der benachbarten Nordostschweiz verwickelt. Ähnlich wie in Oberschwaben verbanden die Aufständischen Widerstand gegen den Kirchenzehnt mit Hoffnungen auf Schutz, den ihnen die sich ausdehnende Schweiz gewähren würde. Die wichtigsten Anführer der entstehenden Täuferbewegung, Konrad →Grebel, Wilhelm →Reublin und Balthasar →Hubmaier, trieben ihre Version der Reformation in enger Kooperation mit dem wirtschaftlichen →Antiklerikalismus der bäuerlichen Bewegung voran.

Im Sommer 1523 entwarf Reublin, Priester in Witikon, eine Petition im Namen von sechs Dörfern auf der Zürcher Landschaft. Diese Gemeinden protestierten gegen die Abgabe des Kirchenzehnten an das Kapitel des Großmünsters, dem Patronatszentrum der Zürcher Kirche. Unterstützt vom Zürcher Reformator Ulrich →Zwingli, selbst ein Chorherr am Großmünster, reagierte die Zürcher Obrigkeit darauf, indem sie das Kapitel umorganisierte und dessen Einnahmen für deren eigene Projekte im Erziehungswesen und in der Armenfürsorge im Geist der Reformation nutzte. Dieser zentralisierende Kompromiss befriedigte Reublin jedoch nicht und wurde von Grebel zurückgewiesen, so dass sich hier der Beginn einer Entfremdung zwischen Zwingli und den zukünftigen Täufern andeutete. Personen unter den evangelischen Radikalen in Zürich, die Grebel und Reublin nahe standen, mischten sich in die Krise der Reformation im schwarzwälder Waldshut ein, wo Hubmaier die Sache der Reformation angesichts der vorderösterreichischen Regierung, die ihn ausweisen wollte, vorantrieb. Diese Freiwilligen aus Zürich schlossen sich zu einer militärischen Truppe zusammen und halfen, Waldshut gegen den drohenden Angriff zu befestigen. Die Zürcher Obrigkeit hätte Waldshut zweifellos gern unter ihren Schutz genommen, doch die schweizerischen Städte, die zur Reformation neigten, wagten es nicht, zwischen den Österreichern und dem Schwäbischen Bund im Norden und der katholischen Innerschweiz im Süden aufgerieben zu werden. So lehnten denn auch Zürich, Schaffhausen und Basel Waldshuts Bitte ab, ihr in dem problematischen Verhältnis zu ihrer Regierung zu Hilfe zu kommen. Konsequent gab Hubmaier seiner Neigung zur Erwachsenentaufe nach, die zum Vehikel der Waldshuter Reformation wurde. Reublin taufte Hubmaier, und Grebel suchte das täuferische Waldshut auf, das bis Ende 1525 vom schwarzwälder Bauernhaufen verteidigt wurde. Hier wurde die Verbindung zwischen Hubmaier als dem täuferischen Reformator Waldshuts und Christoph Schappelers Version des Bauernkriegs besonders augenfällig. Hubmaier scheint die oberschwäbische Bundesordnung ergänzt zu haben, um sie an die Bedingungen des schwarzwälder Aufstands anzupassen. Mehr noch, er war der Autor des sogenannten Artikelbriefs, der als Anhang zur Bundesordnung in Umlauf war. Deutlicher sogar als die Schriften Schappelers brachte der Artikelbrief die ursprüngliche Entscheidung der Bauernhaufen zum Ausdruck, gewaltfreie Lösungen zu bevorzugen. Nach dem Artikelbrief wollte die neue bäuerliche Obrigkeit im Schwarzwald die finanziellen und gesetzlichen Forderungen, die auf den Städten und Dörfern lasteten, „on alle Schwertschlag und Blutvergiessung" beseitigen. Vorher sollte ein vollständiger wirtschaftlicher und sozialer Boykott, der dem kirchlichen Bann nachgestaltet war, alle Burgen und Klöster der Region erfassen, solange bis die Bewohner übereinkämen, sich von diesen Bollwerken zurückzuziehen und die Festungen zu schleifen. Nicht nur Hubmaier, sondern auch Grebel, Reublin, Johannes →Brötli und Hans Krüsi verbreiteten das Täufertum 1525 im Zürcher Herrschaftsgebiet Grüningen, in Hallau, das unter der Herrschaft Schaffhausens stand, in den Gebieten der Abtei St. Gallen, in Verhältnissen, in denen das Täufertum vorübergehend die Reformation allgemein darstellte. Diese Anführer erhielten Beistand von den Dorfbewohnern, die sich für einen teils gewaltsamen Widerstand gegen ihre Obrigkeiten entschieden hatten. Diese Formen des frühen Täufertums waren darauf ausgerichtet, eine massenweise Unterstützung in der Bevölkerung zu erreichen und nahmen die beiden ersten Forderungen der Zwölf Artikel an, gemeindliche Kontrolle über die Verkündigung des Evangeliums zu erlangen und die Nutzung des Kirchenzehnten für die Gemeinde zu erwirken. Auf diese Gestalt des Täufertums folgte eine separatistische Gestalt, als die bäuerliche Bewegung gegen Ende 1525 erloschen war.

4. Thomas Müntzer und der Bauernkrieg

Anders war die Beziehung zwischen Täufertum und Bauernkrieg in dem Bauernaufstand, der mit Thomas →Müntzer, der Reichsstadt Mühlhausen und Thüringen in Verbindung stand und von den vereinigten Herren Sachsens und Hessens in der Schlacht bei Frankenhausen im Mai 1525 niedergeschlagen wurde. Hier waren keine Täufer in den Bauernkrieg verwickelt (im Gegensatz zur Behauptung von Friedrich Engels in seiner Schrift über den Deutschen Bauernkrieg, 1850), vielmehr übte das Täufertum erst eine bemerkenswerte Anziehungskraft auf einzelnen Personen aus, die nach der Niederlage Müntzers verfolgt und vertrieben worden waren. Nachdem Müntzer Vorlesungen an der Universität in Wittenberg gehört hatte, war er 1520 von Luther auf die Vertretung einer Pfarrstelle in Zwickau empfohlen worden. Mit seiner Entlassung in Zwickau 1521 begann jedoch eine allmähliche Entfremdung zwischen Müntzer und den Wittenberger Theologen. Er setzte dem Biblizismus der Wittenberger sein prophetisches Charisma entgegen, was sich besonders deutlich zwischen April 1523 und August 1524 während seiner Tätigkeit als Pastor in Allstedt, einer Enklave des sächsischen Kurfürstentums, zeigte. Er hatte die Bauern der umliegenden katholischen Herrschaften mit seinen Gottesdiensten in deutscher Liturgie angezogen und musste sein ganzes Bemühen darauf richten, die wachsende Herde seiner Anhänger gegen die Gefangennahme und Vertreibung durch deren Grundherren zu schützen. In einer Predigt, die er kurz danach auch veröffentlichte, wandte er sich in apokalyptischer Sprache an die kursächsischen Herren und forderte sie auf, das Evangelium mit Gewalt zu verteidigen. In demselben Monat, im Juli 1524, schrieb Luther einen offenen Brief an die sächsischen Herrscher, in dem er Müntzers Tendenzen zur Gewaltsamkeit anprangerte. So wurde Müntzer gezwungen, aus Allstedt in die nahegelegene Reichsstadt Mühlhausen zu fliehen, wo die Reformation gerade Fuß zu fassen begann. Mühlhausen war militärisch schwach und stand formal unter der Schutzherrschaft des Kurfürsten von Sachsen, des Herzogs von Sachsen und des Landgrafen von Hessen. Unter der Bedrohung durch seine obrigkeitlichen Feinde, sowohl den katholischen als auch den lutherischen, begrüßte Müntzer die Erhebung der thüringischen Bauern im April 1525 als einen Wink der Vorsehung. Es gab erhebliche Meinungsverschiedenheiten unter den Forschern darüber, was Müntzer von dem Sieg der Volkserhebung von 1525 erwartete – er war sich des Ausmaßes dieser Erhebung bewusst, auch wenn es wohl übertrieben klingt: „Das ganze deutsche, französisch und welsch land ist wag.“ Das Bauernheer übernahm die Zwölf Artikel. Müntzer war kein „Chiliast“ (er erwartete nicht das Tausendjährige Reich), und es wird darüber gestritten, ob seine Botschaft besser als „apokalyptisch“ oder als „prophetisch“ beschrieben werden sollte. In seinem letzten Verhör sagte er, dass Mühlhausen sich darum bemühte, sich durch die Eroberung eines Territoriums mit einem Radius von fünfzig Meilen um die Stadt gegen die umliegenden Herrschaften zu sichern. Universaler war seine Erklärung „Das volck wirdt frey werden und Got will allayn der herr daruber sein." Die Forscher sind sich heute darüber einig, dass Müntzer, anders als Luther, nicht ein unmittelbares Ende der Welt erwartete. Er schien so etwas wie ein neues Pfingsten in seiner Zeit zu erwarten, indem er im Anschluss an die alttestamentlichen Propheten und die Kirche der Apostel eine vom Heiligen Geist geführte Reformation einleitete – ein drittes Zeitalter der Kirche. Müntzer hatte weniger Zeit als Schappeler, über die Niederlage der Bauern nachzudenken; in ähnlichen Worten aber erklärte er vor seiner Hinrichtung, dass die Bauern mehr ihren eigenen Vorteil als die Ehre Gottes gesucht hätten.

5. Täufertum in Ober- und Mitteldeutschland

Zahlreiche Personen, die Müntzer nahe standen, wurden bald prominente Anführer der Täufer: Hans Hut, Hans Denck, Melchior Rinck und Hans Römer. Hut und Römer scheinen unfähig gewesen zu sein, Müntzers Niederlage zu akzeptieren. Denck und Rinck trugen dagegen zu einem Täufertum bei, das unabhängiger vom Erbe Müntzers war. Hans →Römer befand sich im Zentrum einer Verschwörung, die Erfurt am Neujahrstag 1528 einnehmen und als Zentrum aufbauen sollte, von dem aus der Bauernkrieg wieder angefacht werden konnte. Er sagte, dass sein Motiv Haß gegen die herrschenden Eliten sei, „dorumb das sie seinen vater Thomassen Munzern erwurget". Hans →Hut war wichtiger als Römer, sowohl als Schüler Müntzers als auch später, zwischen 1526 und 1527, als Sendbote des Täufertums in Süddeutschland und Mitteldeutschland, Österreich und Mähren. Er war Müntzer behilflich, eine seiner wichtigsten Schriften, die Ausgedrückte Entblößung, aus dem Jahr 1524 zum Druck zu bringen, und er entwickelte aus Müntzers Mystik seine charakteristischste Idee, nämlich, dass Gott sich selbst den einfachen Bauern und Handwerkern durch das Leiden der Kreatur, das „Evangelium aller Kreatur", offenbart habe. Sodann entwickelte Hut die apokalyptischen Impulse in Müntzers Botschaft weiter, indem er die Niederlage der Bauern als den Anfang einer dreiundhalbjährigen Zeit der Trübsale vor dem zweiten Kommen Christi deutete, das „Gericht am Haus Gottes". Dieser Zeitabschnitt werde mit einem Einfall der Türken ins christliche Europa enden, während die wahren Christen fliehen und sich verstecken sollten. Am Ende jedoch würden die überlebenden apokalyptischen Christen gesammelt werden, um die schlechten Priester und Herrscher, die den Türken entkommen konnten, zu strafen. Hut erwartete das Ende der Zeit um Pfingsten (Juni) 1528. Es scheint, dass seine apokalyptischen Lehren, auch wenn sie als esoterisches Wissen galten, die nur den „fortgeschrittenen" süddeutschen Täufern (den Gemeindeleitern) mitgeteilt wurden, durch sie die zentralen Gemeinden in seinem Missionsgebiet beherrschten. Sogar nach seiner Inhaftierung in Augsburg im September 1527 und seinem Tod im Dezember im Anschluss an einen Ausbruchsversuch fuhren seine Anhänger in Augsburg fort, den endzeitlichen Zusammenbruch für Juni 1528 zu erwarten. Die Ähnlichkeiten zwischen dem apokalyptischen Zeitplan der Anhänger Römers in Erfurt und Huts Vorhersagen lassen annehmen, dass auch die Erfurter Gruppe unter Huts Einfluss stand. Der Fehlschlag der Hutschen Erwartungen führte zu einem zeitweiligen Kollaps eines großen Teils der Bewegung im Spätsommer 1528 in den Gebieten, in denen er missioniert hatte.

Hans →Denck taufte Hans Hut zu Pfingsten 1526 in Augsburg. Beide kannten sich früher aus Nürnberg und hatten sich dort über die Ideen Müntzers unterhalten, wohl auch über die Schriften Andreas →Karlstadts. Als Nürnberger Schulmeister wurde Denck vom Rat der Stadt zur Rechenschaft gezogen, weil er das lutherische sola scriptura in Frage gestellt hatte. Im Januar 1525 wurde er ausgewiesen und schien zu Müntzer nach Mühlhausen gereist zu sein, um auch dort als Schullehrer tätig zu sein. Aus Mühlhausen floh er im Mai 1525, als die Stadt sich den Truppen übergab, die die thüringischen Bauern bei Frankenhausen geschlagen hatten. Danach wanderte er durch Südwestdeutschland, wo er eine spiritualistische Version des Täufertums propagierte. Dencks Aufenthalt in Worms vom Februar bis August 1527 war der Höhepunkt seines Liebäugelns mit dem Täufertum. Hier arbeitete er gemeinsam mit Ludwig →Hätzer an der Übersetzung der alttestamentlichen Propheten, hier traf er und taufte wohl auch Melchior Rinck, der an der Seite Müntzers bei Frankenhausen gekämpft hatte. Im Oktober 1527 war es ihm gelungen, unter dem Schutz Johannes Oecolampads Unterschlupf in Basel zu finden, und im folgenden Monat starb er an der Pest. Eine posthum erschienene Schrift aus dem Jahr 1528 zeigte, dass Denck sich zum Zeitpunkt seines Todes vom Täufertum weg auf einen Spiritualismus zu bewegte, der nicht mehr auf der Taufe Erwachsener bestand, weil die äußere Ordnung an Bedeutung verloren hatte. Der klassisch gebildete Melchior →Rinck kehrte von Worms in sein Heimatgebiet an der hessisch-thüringischen Grenze um Eisenach und Hersfeld zurück, wo er friedfertige Anhänger des Täufertums um sich sammelte. 1529 wurde er von Philip von Hessen eingekerkert. Da der Landgraf sich weigerte, Täufer zu exekutieren, überlebte Rinck als Gefangener bis ca. 1545. Kontakte zwischen hessischen Täufern und Täufern in Mähren zeigen, dass Rinck weiterhin großen Respekt in seiner Heimat genoss.

Angesichts der Unvollständigkeit der Quellen, die von der Teilnahme der einfachen Leute sowohl in den Bauernhaufen als auch in den Bewegungen der Täufer hätten berichten können, sind keine prosopographischen Studien zu erwarten. Das Mindeste aber, was zur Überschneidung von Bauernkrieg und Täufertum in Thüringen und Franken gesagt werden kann, ist, dass sie nicht unerheblich war. So sagten Täufer, die in Mühlhausen 1537 verhört wurden, aus, dass ihr Glaube auf Thomas Müntzer zurückgehe. Einer ihrer Anführer, Jakob Sorger, sah in Müntzer einen der Propheten, die in der Offenbarung des Johannes für das Ende der Tage vorhergesagt worden seien. 1535 wiederholte ein anderer Täuferführer, Heinz Kraut, der an der Schlacht bei Frankenhausen teilgenommen hatte, auf dem Schaffot unmittelbar vor seiner Hinrichtung den klassischen Reim bäuerlicher Herausforderung: „Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?"

6. Bauernkrieg und Täufertum in Südtirol

Eine dritte Variante der Verbindung von Bauernkrieg und Täufertum wuchs aus den Ereignissen hervor, die mit der Erhebung Michael →Gaismairs in Südtirol zusammen hingen. Noch als Verwalter des Bischofs von Brixen wurde Gaismair zum Kommandanten des Bauernhaufens gewählt, der im Mai 1526 zusammengestellt worden war. Er brachte sich in den Besitz der bischöfliche Kasse, heuerte Söldner an und organisierte vorübergehend einen erfolgreichen militärischen Widerstand gegen die Regierung Habsburgs in Innsbruck. Als Ergebnis der Episode in Brixen wurde der Tiroler Landtag einberufen, auf dem Gaismair die üblichen Forderungen erhob, dass die Ernennung des Klerus von den Gemeinden kontrolliert und der Kirchenzehnt in den Gemeinden verbleiben, auch dass die Rechte des Adels eingeschränkt werden sollten. Als der Landtag mit einem Kompromiss im August 1526 zu Ende ging, wurde Gaismair in Haft genommen, doch er entkam in die Schweiz. Hier verfasste er ein Manuskript, in dem er eine Ordnung für ein befreites Tirol erfand, eine halb-utopische Version des Kampfes für Gerechtigkeit im Bauernkrieg. Gaismairs Tirol sollte ein reformatorisches Territorium werden, in dem die Messe abgeschafft, Heiligenbilder zerstört und Bücher scholastischer Philosophie und das Kanonische Recht verbrannt würden. Die Heilige Schrift sollte die alleinige Grundlage für das Universitätsstudium sein und das Wort Gottes überall verkündigt werden. Alle Privilegien, ob diejenigen des Adels, der Städter oder Kaufleute, sollten abgeschafft werden. Der Bergbau, der die Wirtschaft in Tirol prägte, sollte den großen süddeutschen Handelsgesellschaften, den viel gescholtenen „Monopolen", entrissen werden und die daraus fließenden Einkünfte eingesetzt werden, um die Arbeit der Tiroler Regierung zu finanzieren. Tirol würde ein dem Schweizer Modell nachgestaltetes Land werden, ohne Grundherrschaft – noch egalitärer verfasst, als die Schweiz es in Wirklichkeit war. Im späten Frühjahr 1526 erhielt Gaismair nochmals Gelegenheit, die bäuerliche Erhebung gegen den Erzbischof von Salzburg militärisch anzuführen. Nach anfänglichen Siegen wurde sein Heer jedoch im Juli geschlagen, er selbst floh in die Territorien Venedigs.

Die Heimat Jakob →Huters, des großen Anführers des mährischen Täufertums, war Moos im Pustertal, unweit von Brixen, wo Gaismair von Mai bis August 1525 agitierte. Gaismairs Neffen, Kaspar und Erhart, waren der systematischen Verfolgung durch die Habsburger Obrigkeit entkommen, indem sie sich den Täufern in →Mähren angeschlossen hatten. 1528 berichteten Habsburger Behörden der Regierung in Innsbruck, dass Veteranen des Bauernkriegs jetzt wieder als Täufer in Erscheinung getreten seien. 1532 erschien Friedrich Brandenburger aus Köln, einer der Vertrauensmänner Gaismairs in den Jahren 1525 und 1526, als Reisegefährte Jakob Huters auf dessen Missionsreisen. Huters südtiroler Täufertum ging auf die Mission Georg Blaurocks zurück, eines der führenden Teilnehmer an den ersten Taufen in Zürich im Januar 1525. Er scheint das separatistische Täufertum in die nonkonformistische Reformation verpflanzt zu haben, mit der Gaismair in Verbindung stand. Die Anzahl der Täufer in Tirol während der späten 1520er Jahre war höchstwahrscheinlich größer als die Zahl der aktiven Teilnehmer in Gaismairs Bauernhaufen von 1525 und 1526. Das Täufertum war ein Vehikel für den radikalen Antiklerikalismus, der Gaismairs Widerstand gegen die eng miteinander verbundenen Habsburger Regierungsbehörden und die katholischen Kirche fortsetzte, die viele Bauern in Tirol als ein fremdes Joch empfanden, das ihnen von weltlichen Regierungsbeamten und Klerikern auferlegt worden war, die von irgendwo in Europa herkamen, um sie zu beherrschen und auszubeuten. Der Untergrundcharakter des täuferischen Widerstands wurde von der hartnäckigen Weigerung der ländlichen Bevölkerung angezeigt, die Täufer an die Täuferjäger, die ihnen nachstellten, auszuliefern, und vom wiederholten Verschwinden der Bauern, die nur wenige Wochen später als Täufer wieder in Mähren auftauchten.

7. Bauernkrieg und Täufertum: eine Schlussbemerkung

Der Bauernkrieg und das Täufertum überschnitten einander. Es scheint wenig Kontinuität zwischen beiden Bewegungen in Oberschwaben, Württemberg oder im Elsass gegeben zu haben; und das Täufertum dehnte sich in der westlichen Schweiz aus, in städtischen Gebieten in Süddeutschland und vor allem in Norddeutschland und den Niederlanden, die von den Erhebungen der Jahre 1524 bis 1526 verhältnismäßig unberührt blieben. Es wäre eine Übertreibung, den Historikern der frühbürgerlichen Revolution in Deutschland zu folgen und das Täufertum als eine stumme, sektenhafte Fortsetzung der sozialen Opposition des Bauernkriegs zu beschreiben. Dennoch drückte der Bauernkrieg dem Täufertum einen unübersehbaren Stempel in der Nordostschweiz und deren Grenzgebieten, in Franken und Thüringen, in Südtirol und im Gefolge der Tiroler Auswanderung in Mähren auf.

Quellen

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Literatur

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James M. Stayer

 
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