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Brötli, Johannes

geb. in Graubünden, gest. als Märtyrer 1528 in der Ostschweiz; Täuferführer in Zollikon und Hallau 1525.

Johannes Brötli stammte aus Graubünden und kam zwischen 1521 und 1523 unter den Einfluss der Reformation, als er Priester in Quarten (Landvorteil Sargans) war, jetzt im Süden des Kantons St. Gallen. 1523 geriet er mit der regionalen Obrigkeit in Konflikt, weil er sich öffentlich verheiratet hatte. Zu dieser Zeit hatte er sich schon zur Anschauung vom Priestertum aller Gläubigen (Allgemeines →Priestertum) bekannt: „Also Christus, unser houpt, hat unß all zuo priester gewicht durch sin allerhelögest pluot“. Auch wies er die Anschuldigungen zurück, er habe Gemeindeglieder zusammengerufen, ihn zu verteidigen. „Ich beger kein unfrid noch pluotvergiessen zmachen und hab es nie begehrt.“ 1523 und 1524 wechselte Brötli nach Zollikon über, einem Dorf unter der Herrschaft Zürichs, und erklärte sich zum Prädikanten, der sich von seiner Hände Arbeit anstatt von Pfründen ernährte. Dort schloss er sich dem Kreis eifriger Reformationsanhänger an, der sich um Konrad →Grebel gesammelt hatte, zumindest insoweit, als er den Nachtrag zu dessen Brief an Thomas →Müntzer vom 5. September 1524 als Johannes Pannicellus, der lateinischen Version seines Namens, mit unterzeichnete. Nach der Disputation über die Kindertaufe am 17. Januar 1525 war Brötli unter den vier nicht aus Zürich stammenden Gegnern der Kindertaufe, die innerhalb von acht Tagen das Herrschaftsgebiet Zürichs verlassen mussten. Er empfing die Glaubenstaufe (→Taufe) im Laufe der nächsten Tage in Zollikon, also nicht in Zürich, wo es zu den ersten Glaubenstaufen am 21. Januar 1525 gekommen war.

Ende Januar 1525 erschien Brötli gemeinsam mit dem täuferisch gewordenen Priester Wilhelm →Reublin, der in jenen Tagen ebenfalls aus dem Herrschaftsgebiet Zürichs ausgewiesen worden war, in dem Dorf Hallau, das der Stadt Schaffhausen unterstand. Hier ließ Brötli seine Frau und sein Kind zurück und begab sich mit Reublin nach Schaffhausen, wo er sich mit Konrad Grebel und dem Pfarrer Sebastian Hofmeister traf. Hofmeister soll mit den Anschauungen über die Taufe sympathisiert haben, wie sie von den drei Besuchern aus Zürich vertreten wurden. Doch er wurde aus Schaffhausen ausgewiesen, bevor er die Reformation in die täuferische Richtung vorantreiben konnte. Hallau lag im Zentrum des bäuerlichen Widerstands gegen die Leibeigenschaft, den Kirchenzehnt und die Frondienste. Dieses Dorf war 1521 gewaltsam von Schaffhausen annektiert worden; während der bäuerlichen Erhebungen von 1525 unternahm es nun mit Unterstützung der täuferisch gewordenen Stadt Waldshut eine militärische Aktion gegen Schaffhausen. Brötli richtete sich in einer Gastwirtschaft des Dorfes ein und begann, dort zu predigen. Er schrieb nach Zollikon: „Und hand ein grosse ernd da funden, aber wenig schnitter. Das volck hatt ernsthlich begerett mich ze hören und noch hütt by tag.“ Bis April hatten er und Reublin den katholischen Priester, der von seiner Pfründe lebte, aus dem Amt getrieben. Wenige Jahre später berichtete der zwinglische Prädikant in Hallau, dass fast alle Einwohner Hallaus 1525 zum Täufertum übergegangen waren. Sowohl Reublin als auch Brötli predigten auf täuferische Weise und tauften in Hallau. Reublins Aktivitäten griffen jedoch auf die gesamte Umgebung aus, während Brötli sich auf das Dorf konzentriert haben wird. Irgendwann im Jahr 1525 entsandte die Stadt Schaffhausen ein bewaffnetes Kontingent nach Hallau, um Brötli und Reublin festzusetzen; aber wie die Klage Schaffhausens vom Dezember 1525 gegen Hallau lautete, „haben si die pfaffen den gemelten miner herren knechten mit gwaltiger, bewerter hannd vorghalten und entwert“. Zweifellos waren bäuerlicher Widerstand und Täufertum in Hallau 1525 eng miteinander verwoben (→Bauernkrieg).

Brötli konnte sich nach der Niederlage des bäuerlichen Widerstands gegen Ende 1525 nicht in Hallau halten. Wir erfahren aus einer hutterischen Quelle, dass er 1528 auf dem Schafott verbrannt worden sei, höchstwahrscheinlich, nachdem seine Auswanderung aus der Ostschweiz nach Mähren gescheitert war.

Quellen

Leonhard v. Muralt und Walter Schmid (Hg.), Quellen zur Geschichte der Täufer in der Schweiz, Bd. I: Zürich 1956, 45 f., 54–55. - Heinold Fast (Hg.), Quellen zur Geschichte der Täufer in der Schweiz, Bd. 2: Ostschweiz, Gütersloh 1973, 15, 22–24, 558–563.

Literatur

Werner O. Packull, Hutterite Beginnings. Communitarian Experiments during the Reformation, Baltimore 1995, 49. - James M. Stayer, Reublin and Brötli. The Revolutionary Beginnings of Swiss Anabaptism. In: Marc Lienhard (Hg.), The Origins and Characteristics of Anabaptism, The Hague 1977, 83–102. - Andrea Strübind, „Eifriger als Zwingli“, Die frühe Täuferbewegung in der Schweiz, Berlin 2003, 363–384.

James M. Stayer

 
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