Hein, Gerhard

geb. am 30. November 1905 in Golyschewo bei Ufa/Ural, Russland, gest. am 7. Oktober 1990 in Bad Bergzabern/Rheinland-Pfalz, Deutschland; Prediger, Schriftleiter und Historiker.

Gerhard Hein wuchs als Sohn von Auswanderern aus Westpreußen im Westuralgebiet als achtes von elf Kindern auf. Er bezeichnete seine Kindheit und erste Schulzeit bis zur kommunistischen Revolution als glücklich. Im Glauben waren ihm sein Großvater Jakob Hein und seine Mutter Katharina, geb. Harder, prägende Vorbilder. Am 28. Mai 1925 empfing er in der Mennoniten-Brüdergemeinde Ufa die Taufe, wenige Tage bevor er über Moskau und Danzig nach Deutschland auswanderte. Zunächst wohnte er bei Verwandten in Wernigerode und besuchte dort die Bibelschule und das humanistische Gymnasium. Von 1927 bis 1931 folgte das Theologiestudium in Göttingen, Tübingen, Münster und Leipzig bei Professoren wie Adolf Schlatter, Karl Heim und Karl Barth. In Leipzig bestand er das Fakultätsexamen und beschäftigte sich zum ersten Mal mit der Täuferforschung. Für sein späteres Bemühen um ein lebendiges Geschichtsbewusstsein war das wohl wegweisend. In den Semesterferien pflegte er Kontakte zu süddeutschen und pfälzischen Mennonitengemeinden, wo er seiner späteren Frau, Lydia Hege, begegnen sollte. 1931 bis 1935 absolvierte er ein Vikariat in der Mennonitengemeinde Weierhof bei Christian →Neff, Pfarrer, Mitbegründer des Mennonitischen Lexikons und der Mennonitischen Weltkonferenz. Hier begann er seine Mitarbeit am Mennonitischen Lexikon (sieben Artikel am 2. und elf Artikel am 3. Band).

Unterbrochen von der Militärdienstzeit im Zweiten Weltkrieg als Regimentsschreiber und Dolmetscher in Frankreich und Russland, wirkte er von 1935 bis 1958 als Prediger der Mennonitengemeinden Sembach, Neudorferhof und Altleiningen. In diesen Jahren arbeitete er weiter am Mennonitischen Lexikon mit, an täuferischer Geschichts- und Quellenforschung, an den Mennonitischen Geschichtsblättern, dem Mennonitischen Gemeindekalender und der Mennonitischen Jugendwarte. Von 1948 bis 1956 war er Schriftleiter der Jungen Gemeinde und von 1952 bis 1965 redigierte er das internationale Gemeindeblatt Der Mennonit (→Zeitschriften). Darüber hinaus war er im 1950 entstandenen Altersheim „Friedenshort“ in Enkenbach und in der dort durch Flüchtlinge aus dem Osten neu entstandenen Gemeinde tätig.

Am 5. Januar 1936 hatte Gerhard Hein Lydia Hege in der Mennonitenkirche Ibersheim geheiratet. Ihnen wurden zwei Söhne geboren: Eckart Hein (1937) und Wilfried (1940). Lydia Hein unterstützte ihren Mann als Pfarrersfrau sehr, insbesondere 1958 bis 1965 in →Berlin, wo Gerhard Hein das Pfarramt übernahm und sie im Gästehaus der Gemeinde wohnten. Hier versah er einen Dienst an der Nahtstelle zwischen Ost und West. Die Lage der Stadt prägte auf ganz besondere Weise auch das Leben der Gemeinde. In dieser Zeit arbeitete er intensiv am vierten Band des Mennonitischen Lexikons, schrieb selbst über 250 Artikel und arbeitete an über 175 Artikeln mit. Gleichzeitig wirkte er als Redakteur von Der Mennonit.

Von 1965 bis 1973 war er Prediger der Mennonitengemeinden Monsheim und Obersülzen in Rheinland-Pfalz. Hier vollendete er 1967 nach neun Jahren harter Arbeit den vierten Band des Mennonitischen Lexikons, welcher auf der 8. →Mennonitischen Weltkonferenz in Amsterdam (1968) vorgestellt wurde. Ein Jahr später übernahm Hein die Redaktion des Mennonitischen Gemeinde-Kalenders für zwei Jahre. Seit 1963 war er zweiter Vorsitzender des →Mennonitischen Geschichtsvereines und übernahm von 1968 bis 1975 nach dem Tod von Ernst →Crous den ersten Vorsitz.

Mit Eintritt in den Ruhestands zog Gerhard Hein 1973 mit seiner Frau nach Bad Bergzabern (Pfalz) und hielt weiterhin manche Predigt und manchen Vortrag in den umliegenden Mennonitengemeinden und in ökumenischen Veranstaltungen.

Im Rahmen seiner Gemeindearbeit lag ihm die Arbeit mit Auswanderern aus dem Osten und die Jugendarbeit sehr am Herzen. So organisierte er zum Beispiel Jugendfreizeiten nach dem Krieg, zu denen an Wochentagen 130, an den abschließenden Sonntagen oft über 300 Jugendliche kamen. Ferner trieb er den Umbau der Pfarrhausscheune zum Jugend- und Gemeindesaal in Sembach voran. Seine Beiträge in der Jungen Gemeinde sollten junge Menschen anregen, ihre Gesinnung und ihren Glauben zu überdenken.

Insgesamt hat er eine beachtliche Bibliografie von mehr als 150 Titeln aufzuweisen, die er in seinen unveröffentlichten Erinnerungen Ein Russlanddeutscher erlebt Ost und West aufführte. Die historischen Aufsätze beschäftigten sich vorwiegend mit Täufern oder Mennoniten in der Pfalz und Rheinhessen. Sein Hang zu geistlicher Lyrik fand in etlichen Sonetten Ausdruck, die in den erwähnten Zeitschriften und als Sonderdrucke veröffentlicht wurden.

Das Wirken Gerhard Heins konzentrierte sich auf die geistliche Erbauung der mennonitischen Gemeinden und auf die Entfaltung ihres Geschichtsbewusstseins.

Veröffentlichungen

Gerhard Hein (Hg.), Die mennonitische Ansiedlung bei Ufa am Uralgebirge, 1894–1938, Steinbach, Manitoba, Kanada 1975. - Mein Morgensegen. Eine kurze Anleitung zum täglichen Gebet auf Grund des Vaterunsers, Kaiserslautern 1948 (Privatdruck). - Vier geistliche Sonette nach Kernworten der Heiligen Schrift, Kaiserslautern 1948 (Privatdruck). - Vertrauen – Freuen – Danken. Geistliche Gedichte und Texte, hg. vom Verein für die Erforschung und Pflege des Kulturerbes des Russlanddeutschen Mennonitentums e.V. Göttingen, Weisenheim am Berg 1992. - Ein Russlanddeutscher erlebt Ost und West (unveröffentlichte Erinnerungen im Familienbesitz).

Auswahlbibliografie seiner historischen Zeitschriftenaufsätze, in: Mennonitische Geschichtsblätter 1990/91, 226 f.; eine genauere Bibliografie in seinen Erinnerungen.

Literatur

Heinold Fast, Gerhard Hein (1905–1990), in: Mennonitische Geschichtsblätter 1990/91, 223–230.

Gabriele Harder-Thieme

 
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