Liestal (Mennonitengemeinde von 1975 bis 1997)

1. Die Anfänge

Der Anstoß zur Gründung der Mennonitengemeinde Liestal bei Basel ging von der Gemeinde →Schänzli (Muttenz) aus. Zu ersten Überlegungen einer Neugründung führten einerseits Platzmangel und andererseits missionarische Aspekte. Zu Beginn des Jahres 1973 wurde diese Idee der Mitgliederversammlung der Schänzli-Gemeinde vorgelegt, die ihr mit großer Mehrheit zustimmte. Im Herbst 1973 wurde ein Team von vier Personen beauftragt, die ersten Gottesdienste zu planen und vorzubereiten.

2. Erste Gottesdienste

Am 14. Oktober 1973 fand im Haus von Familie Kipfer in Bubendorf der erste Gottesdienst statt. Bis zum Bezug der Lokalitäten an der Rebgasse 3 in Liestal war das der vorläufige Treffpunkt der Gemeinde. Mit dem Blaukreuzjugendwerk zusammen wurde die frühere Bäckerei Brodtbeck gemietet und mit viel Eigenleistung zu einem Gemeindezentrum umgebaut. Am 1. September 1974 wurde dieses Gemeindezentrum feierlich eingeweiht.

Mit dem 30. Januar 1975 begann das offizielle Dasein der Mennonitengemeinde Liestal mit 43 Mitgliedern. Die gewählte Gemeindeleitung setzte sich aus fünf Personen zusammen: dem Vorsitzenden Hans Jutzi, Liestal, dem Stellvertretenden Vorsitzenden Samuel Gerber, Nuglar, dem Kassenwart Hans Kipfer, Liestal, dem Sekretär Erhard Bitterli, Hölstein, und der Beisitzerin Christine Gerber, Liestal. Am 2. Februar 1975 wurde der Beginn der Gemeinde mit einem Gottesdienst im reformierten Gemeindehaus mit zahlreichen Gästen öffentlich gefeiert.

3. Gemeindeaufbau und Aktivitäten

Statuten und Glaubensgrundlagen wurden erarbeitet. Für die geistliche Betreuung der Gemeinde (Verkündigung, Taufunterricht, Seelsorge, Kasualien) wurden gewählt: Paul Baumann, Liestal, Samuel Gerber, Nuglar, Hans Jutzi, Liestal, und Arno Thimm, Seltisberg, der die Wahl ablehnte. Auf den Begriff „Ältester“ wurde verzichtet und stattdessen das „Team für Gemeindeaufbau“ eingesetzt.

Von Anfang an wurde aktiv in der Evangelischen Allianz Liestal und bei der Gründung der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen Baselland mitgearbeitet. Einzelne Personen beteiligten sich an der Gründung eines Vereins für Täufergeschichte und der Vertretung der Schweizer Mennoniten in der →Mennonitischen Weltkonferenz. Im Laufe der Jahre wuchs die Gemeinde bis auf ca. fünfzig Mitglieder an.

Team für Gemeindeaufbau, Vorstand, Diakoninnen und Diakone trafen sich meistens einmal im Monat, um Fragen der Gemeinde zu besprechen. Eine Besonderheit, die von den Mitgliedern sehr geschätzt wurde, war die Veröffentlichung der Protokolle dieser Sitzungen.

Für Jugendliche ab dem 15. Lebensjahr wurde ein „Taufunterricht“ angeboten, der als Freizeit in den Schulferien stattfand. Im Dezember 1979 entstand eine Jungschar, die recht bald auch Anklang über die Gemeinde hinaus fand. Schließlich erreichte sie im Laufe der Jahre die stattliche Anzahl von vierzig Kindern, viele kamen aus Familien, die nicht zur Gemeinde gehörten.

4. Herausforderungen

Wegweisend für die Zukunft der Gemeinde war das Jahr 1985. Im September starb Paul Baumann, und im Oktober verheiratete sich Marie-Noëlle Faure mit Ernst van der Recke und zog nach Deutschland. Sie war einige Jahre zuvor als erste Frau überhaupt in eine Leitungsfunktion gewählt worden. Der Tod und der Wegzug hinterließen eine große Verunsicherung. In der Folge führten unterschiedliche Auffassungen über die Ausrichtung der Gemeinde zu internen Spannungen, die in mehreren Mediationsgesprächen zwar teilweise abgebaut werden konnten, aber die Gemeinde dennoch nie mehr wirklich zur Ruhe kommen ließen. Schließlich scheiterte am 19. September 1996 nach intensiven Gesprächen und Beratungen auch ein erneuter Versuch, die Gemeinde neu auszurichten. Die Mitglieder der Gemeindeversammlung lehnten den Beratungsvorschlag mehrheitlich ab, und Samuel Gerber wurde als Teammitglied abgewählt, außerdem kam es zu Rücktritten in zentralen Gemeindefunktionen. Die weiteren Anstrengungen, die Gemeinde auf einen neuen Weg zu bringen, führten zur Auflösung der bestehenden Gemeinde und zu der Absicht, eine neue Gemeinde zu gründen.

Am 16. Oktober 1997 wurde folgende öffentliche Verlautbarung verschickt (in Auszügen): „Am 11. September 1997 hat die Mitgliederversammlung die Auflösung der Mennonitengemeinde Liestal beschlossen (…). Nach dem Tod von Paul Baumann und dem Wegzug von Marie-Noëlle von der Recke-Faure begannen sich die Schwierigkeiten zu akzentuieren (…). Es wurden mehrere Anläufe unternommen, die Differenzen zu überbrücken und echte Aussöhnung zu finden. Die Abwahl eines Teammitgliedes und der Rücktritt weiterer Personen von ihren Gemeindefunktionen leiteten einen Prozess ein, der schließlich in der Entscheidung seinen Niederschlag fand, die Gemeinde aufzulösen und eine neue Gemeinde zu gründen.“ Das Ende der Mennonitengemeinde Liestal wurde am 31. Dezember 1997 besiegelt. Einige Betroffene haben seither nicht mehr den Weg in eine Gemeinde gefunden. Für Liestal und Umgebung war die Mennonitengemeinde eine verlässliche und geschätzte Partnerin, deren Verschwinden allgemein bedauert wurde.

Literatur

Erhardt Bitterli, Persönliches Tagebuch von Januar 1973 bis Februar 1977. - Elisabeth Rüegger, Die Gründung und Entwicklung der Mennonitengemeinde Liestal, Canadian Mennonite Bibel College, April 1982. - Protokolle der Sitzungen von Gemeindeleitung und Mitgliederversammlungen 1975 bis 1997. - Protokolle der Jungscharleiterinnen und -leiter. - Letzte Verlautbarung der Gemeindeleitung vom 16. Oktober 1997. (Die Protokolle befinden sich bei Ulrich Kipfer, Nelkenring 21, CH 4416 Bubendorf/Schweiz, demnächst im Archiv des Schweizerischen Vereins für Täufergeschichte).

Samuel Gerber (Nuglar)

 
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