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Hershberger, Guy Franklin

geb. am 3. Dezember 1896 in der Nähe von Kalona, Iowa, USA, gest. am 29. Dezember 1989 in Goshen, Indiana, USA; Historiker, Sozialtheoretiker und -aktivist, Vertreter einer pazifistischen Ethik.

Guy Hershberger war ein amisch-mennonitischer Farmjunge (nicht Old Order Amish) in Iowa, der vier Jahre lang in einer ländlichen Grundschule erzogen wurde. Später besuchte er zusammen mit seiner Braut Clara Hooley das Hesston College, wo er 1923 den akademischen Grad eines Bachelor of Arts erwarb. Sanford C. Yoder, Hershbergers Pastor und späterer Präsident des Goshen Colleges in Indiana, überzeugte die Hershbergers davon, dass die Mennonite Church ihn mehr als Collegelehrer denn, wie ursprünglich geplant, als Missionar in Indien brauchte. Guy Hershberger lehrte ein Jahr lang am Hesston College und erwarb 1925 mit einer Arbeit zur Täuferforschung den Magistergrad in Geschichte an der University of Iowa. Danach begann er seine Laufbahn als Lehrer für Geschichte, Soziologie und Ethik am Goshen College. Diese Tätigkeit hatte er vierzig Jahre lang ausgefüllt. Nebenher erwarb er 1935 die Doktorwürde (PhD) in Geschichte an der University of Iowa.

In den späten zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts bat ihn Orie O. →Miller vom (Mennonite Church) Mennonites´ Peace Problems Committee und →Mennonite Central Committee Abhandlungen zu schreiben, mit denen die Wehrlosigkeit gefördert werden sollte. Er kam dieser Bitte nach, und in den dreißiger Jahren wurde seine Arbeit weithin bekannt. In seiner Dissertation von 1935 vertrat er die Meinung, dass die Quäker, die das koloniale Pennsylvanien regierten, es versäumt hätten, Pazifismus mit dem obrigkeitlichen Amt in ihrer Provinz zu versöhnen; und obwohl er für ein christliches Zeugnis gegenüber den Regierenden eintrat, zweifelte Hershberger doch stets daran. Pazifisten könnten Zwang oder politische Macht mit ihrem Friedenszeugnis vereinbaren. In demselben Jahr rief er in einer bemerkenswerten Ansprache dazu auf, einen sozialen Ersatzdienst für den Militärdienst einzurichten. In diesem Aufruf nahm er auf scharfsinnige Weise schon Themen auf, die sich bald als Probleme des Civilian Public Service im Rahmen des US-Systems erweisen sollten. In den späten dreißiger Jahren begann er, sein wichtiges Buch mit dem Titel War, Peace, and Nonresistance (1944, revidiert 1953, danach oft wieder aufgelegt) zu schreiben. 1939 hielt er schließlich eine Ansprache, die ihm als Manifest für sein Lebenswerk diente. Dazu beauftragt, Wehrlosigkeit auf die verschiedenen Konflikte und laufenden Machtkämpfe zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern anzuwenden, entwickelte Hershberger seine Gedanken zu einer umfassenden Vision, wie Mennoniten auf die Herausforderungen des modernen Lebens reagieren sollten. Sie sollten ihre Gemeinden seiner Meinung nach zu Modellen gesunder zwischenmenschlicher Beziehungen entwickeln – mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern als Partnern, mit Einrichtungen gegenseitiger Hilfe, mit Vorkehrungen für eine Versorgung der Kranken und mit anderen gemeindlichen Organisationen.

So bestanden Hershbergers größere Beiträge erstens in einem gut durchdachten System pazifistischer Lehre, die biblisch begründet war, im Unterschied zu stärker humanistischen oder politischen Varianten des Pazifismus, und zweitens in einer sozial motivierten Verkündigung des Evangeliums (social gospel), die pazifistisch, kirchenzentriert und wiederum biblisch begründet war.

Hershberger schrieb mehrere bedeutsame Bücher, viele Aufsätze und Broschüren, aber besonders zahlreiche Berichte und Reden. Sein Hauptwerk blieb jedoch War, Peace, and Nonresistance, vor allem in der Ausgabe von 1953. Eines seiner anderen Bücher, The Mennonite Church in the Second World War (1951), war historisch solide recherchiert, bot aber kaum neue Gedanken. Ein drittes Buch, The Way of the Cross in Human Relations (1958), zeigt, wie sehr Hershberger in der Lage war, die Implikationen des Pazifismus herauszuarbeiten. Er griff nun seltener zu Belegtexten und versuchte, sehr viel öfter andere Vertreter einer christlichen Ethik herauszufordern. Doch sein grundlegendes Werk blieb weiterhin War, Peace, and Nonresistance. Obwohl dieses Werk hauptsächlich an Mennoniten gerichtet war, sah eine Vielzahl christlicher Ethiker, Seelsorger und anderer auch sonst schnell, dass War, Peace, and Nonresitance eine Alternative sowohl zum theologisch liberalen Pazifismus als auch zur heftigen Kritik am Pazifismus bot, die der Theologe Reinhold Niebuhr veröffentlicht hatte.

Kaum weniger wichtig war Hersbergers Art, ein soziales Evangelium (social gospel) zu verkündigen. Seine Ansprache von 1939 wurde mehr oder weniger zum Manifest für eine organisierte „mennonitische Gemeindebewegung“ (Mennonite Community Movement), die in den Jahren zwischen 1940 und 1960 aufblühte. Diese Bewegung passte zu den Bemühungen anderer, das amerikanische ländliche Leben wiederzubeleben. Mehr noch, sie passte zu dem, was amerikanische Forscher über das täuferische Gemeindeverständnis zu sagen begannen. Tatsächlich bemühte sie sich, die Gedanken Hershbergers aus dem Jahr 1939 über die zwischenmenschlichen Beziehungen in die Praxis umzusetzen. Sie brachte jährliche Gemeindekonferenzen auf den Weg, eine Mennonite Community Association wurde 1945 gegründet und eine Zeitschrift, Mennonite Community, von 1947 bis 1953 veröffentlicht, die dann in einen Teil von Christian Living überging. Eng damit verbunden entstand 1945 ein großes Netzwerk von Programmen der Organisation des Mennonite Mutual Aid, Inc. (MMA). Die Gründung von MMA ging vor allem auf Hershberger zurück, mit geschickter politischer Strategie veranlasste er die Mennonite Church, MMA zu unterstützen, und half, den frühen Maßnahmen dieser Organisation Gestalt zu verleihen. Historisch nicht weniger bedeutsam war, dass die Gemeindebewegung in der Mitte des letzten Jahrhunderts das soziale Gewissen in zahlreichen mennonitischen Gemeindeleitern, Geschäftsleuten und Führungspersönlichkeiten sowie gewöhnlichen Gemeindegliedern wachzurufen vermochte.

Ein ganz besonderer Effekt des Manifests von 1939 war, dass Gemeindeleiter der Mennonite Church ein neues Konferenzkomitee einrichteten und Hershberger zu dessen erstem Geschäftsführer bestellten – dieses Komitee wurde später Committee on Economic and Social Relations genannt. Mit diesem Komitee erhielt Hershberger ein sehr wirkungsvolles Forum. Er und sein Komitee veranlasste ihre Kirche, eine große Anzahl von sozialen, wirtschaftlichen und sogar politischen Themen in Angriff zu nehmen, die von Arbeitsbeziehungen über extremistischen Anti-Kommunismus bis zu Alkoholmissbrauch reichten. Die Komiteemitglieder erteilten Unterricht, Ratschläge, auch gaben sie ziemlich oft offiziellen kirchlichen Stellungnahmen und Maßnahmen ihre Gestalt. Schließlich arbeiteten sie besonders in den 1950er und 1960er Jahren daran, die Einstellung der Mennoniten zur Rassenfrage zu verbessern. Hershberger schrieb, hielt Reden, besuchte Gemeinden und nahm auch gelegentlich an den Treffen der Southern Christian Leadership Conference Martin Luther Kings teil. Während der ganzen Zeit seiner beruflichen Tätigkeit fand Hershberger auch Gehör über die Konferenz seiner eigenen Mennonite Church hinaus – unter anderen Mennoniten und anderen historischen Friedenskirchen, unter Protestanten, die der National Association of Evangelicals angehörten, und solchen, die auf der anderen Seite in dem theologisch liberaleren und ökumenischen National Council of Churches vertreten waren. Gehör fand er auch bei verstreuten Einzelgängern, die seinen biblisch begründeten Pazifismus schätzten. Wissenschaftler von verschiedenen Universitäten, Seminaren und Zeitschriften beachteten und zitierten sein Werk.

Trotz seines beharrlichen Biblizismus (und vielleicht einer Art gemäßigten Fundamentalismus, besonders um 1950) zog Hershberger oft Kritik von Mennoniten auf sich, die den emphatischen Antimodernismus mit militanten Fundamentalisten im Protestantismus teilten. Die Kritiker brachten vor allem drei Vorwürfe gegen ihn vor: seine (und des Peace Problems Committees) Verbindungen zu theologisch liberalen Pazifisten, seine beharrlichen Hinweise darauf, dass Gott die Kriege des Alten Testaments nicht gewollt habe, und seine Proteste gegen verschiedene Regierungsmaßnahmen, z. B. Todesstrafe oder militärische Aufrüstung.

In seinen letzten Jahren sammelte Hershberger offensichtlich Dokumente für ein Buch über die Streitigkeiten mit seinen „radikalen“ (d. h. fundamentalistischen) mennonitischen Kritikern. Aber er hat dieses Buch nie geschrieben – auch nicht ein anderes, das er über eine umfassende Geschichte des quäkerischen Pazifismus geplant hatte.

Quellen

Zahlreiche Dokumente und Nachlass Hershbergers in: Mennonite Church USA Archives, Goshen, Ind., hier auch Dokumente des Committee on Economic and Social Relations.

Veröffentlichungen

War, Peace, and Nonresistance, Scottdale, Pa.,1944, rev. 1953. - The Mennonite Church in the Second World War, Scottdale, Pa., 1951. - The Way of the Cross in Human Relations, Scottdale, Pa., 1958. - Hg. von: The Recovery of the Anabaptist Vision (Festschrift für Harold S. Bender), Scottdale, Pa., 1957 (deutsch: Das Täufertum. Erbe und Verpflichtung, Stuttgart 1963). - Broschüren: Nonrestiance and the State: The Pennsylvania Quaker Experiment in Politics, 1682 – 1756, Scottdale, Pa., 1936, 1937. - Christian Relationsships to State and Community, Akron, Pa.,1942 und 1945. - Aufsätze: Is Alternative Service Desirable and Possible?, in: Mennonite Quarterly Review 9, 1935, 20–36. - Nonresistance and Industrial Conflict, in: Mennonite Quaterly Review 13, 1939, 135–154. - Christian Nonresistance: Its Foundation and its Outreach, in: Mennonite Quarterly Review 25, 1950, 156–162.

Festschrift und Bibliografie:John Richard Burkholder und Calvin Redekop (Hg.), Kingdom Cross and Community: Essays on Mennonite Themes in Honor of Guy F. Hershberger, Scottdale, Pa., 1976.

Biographie: Theron F. Schlabach, War, Peace, and Social Conscience: Guy F. Hershberger and Mennonite Ethics, Scottdale, Pa., 2009.

Theron F. Schlabach

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