Mennonitische Hilfswerke in Deutschland

Die Armenpflege hat in den Mennonitengemeinden eine lange Tradition (→Diakonie). Bereits im Zeitalter der Reformation suchten die →Täufer neue Wege, um den Armen zu helfen. In Nikolsburg 1528 und in Augsburg 1530 versuchten evangelische Theologen die Täufer beispielsweise mit dem Hinweis zu bekämpfen, dass die Armenfürsorge dem Gemeinwesen abträglich sei. Also wird der diakonische Einsatz dieser frühen Gemeinden nicht unerheblich gewesen sein. In →Krefeld wurde 1760 durch das Testament der Brüder Friedrich und Heinrich von der Leyen die „Mennoniten Fundation“ gegründet, die heute noch als „Von der Leyen´sche Stiftung“ existiert und aus deren Mitteln jedes Jahr bedürftige Mitglieder und Freunde der Mennonitengemeinde Krefeld unterstützt werden. Später wurden weitere überregionale bzw. international tätige Hilfswerke ins Leben gerufen.

1. Mennonitisches Hilfswerk Christenpflicht – MHC (1922)

Seinen Ursprung hat das Mennonitische Hilfswerk Christenpflicht (MHC) in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, als viele Menschen in großer Not waren. Mitglieder der Mennonitengemeinde Ingolstadt nahmen diese Not wahr und wollten helfen, so gut sie konnten. Sie richteten um 1920 eine Volksküche in ihrer Stadt ein, baten dafür um Spenden und weiteten ihre Hilfe bald aus. In einem ersten Bericht unter dem Stichwort „Christenpflicht“ schilderte Michael →Horsch aus Hellmannsberg bei Ingolstadt auch die Not in Wien und rief zu Spenden auf.

Im Sommer 1920 besuchte Michael Horsch die Städte Annaberg und Schwarzenberg im Erzgebirge. Etwa 20 % der Bevölkerung war dort nicht einmal mit Grundnahrungsmitteln versorgt. Für eine effektive Hilfe waren etwa 1,2 Millionen Mark nötig. Horsch sagte 50 % diese Summe durch das MHC zu und wandte sich, um das Geld aufzubringen, nicht nur an die eigenen Spender, sondern auch an das gerade gegründete →Mennonite Central Committee (MCC). So entstand zwischen beiden Organisationen eine enge Zusammenarbeit.

Bedürftige Menschen gab es auch in Würzburg, München und Augsburg. Eine ökumenische Kommission erstellte Listen der Ärmsten in München. Das MHC sagte die Unterstützung für 2000 Personen zu. Um die Arbeit rechtlich abzusichern, wurde am 29. Januar 1922 in Ingolstadt der Verein „Mennonitisches Hilfswerk Christenpflicht“ gegründet.

1930 eröffnete sich ein weiteres Aufgabenfeld. Durch Erbvertrag wurde dem MHC ein Gebäude in Burgweinting (Regensburg) überlassen. Der Erbvertrag bestimmte, dass dieses Haus ausschließlich für diakonische Zwecke verwendet werden sollte. Der Plan, eine Ausbildungsstätte für mennonitische Diakonissen einzurichten, scheiterte an fehlenden Interessentinnen. So wurde beschlossen, das Haus als Altenheim zu verwenden. Im Altenheim Burgweinting fanden bis zu 20 Personen ihre Unterkunft.

Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte eine vergleichbare Situation wie 1920. Die Mitarbeiter des MHC setzten sich wieder für die Bevölkerung ein. Die Mennoniten aus USA und Kanada sorgten durch ihre großzügigen Hilfslieferungen für die notwendigen Lebensmittel und Kleider. Zeitweise stellte das MHC bis zu 12 Personen an, die zusammen mit Freiwilligen in den Verteilstellen Pakete packten und bei der Verteilung der Hilfsgüter halfen.

Ab 1961 wurde der Einsatz von Freiwilligen finanziell unterstützt. Seit 1963 sind an Stelle einzelner Gemeindemitglieder nun Mennonitengemeinden aus Süddeutschland als Mitglieder in das MHC eingetreten. Mit Gründung der Internationalen Mennonitischen Organisation (IMO, 1967) verlagerte sich der Arbeitsschwerpunkt in den 70er und 80er Jahren nach Südamerika. Seit dem Ende der 1980er Jahre engagierte sich das MHC stärker in Osteuropa. Gemeinsam mit den anderen mennonitischen Hilfswerken half das MHC bei der Versorgung der Menschen und beim Wiederaufbau im zerstörten Ex-Jugoslawien. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten die Betreuung und Unterstützung von Flüchtlingen in Deutschland.

Mit Gründung des Mennonitischen Hilfswerks e. V. (MH) 2001 ging die Arbeit des MHC in der neuen Organisation auf. Rein formal wurde die juristische Person „Mennonitisches Hilfswerk Christenpflicht e.V.“ in „Mennonitisches Hilfswerk e. V.“ umbenannt. Mitgliedsgemeinden von HVDM (s. u.) und HASM (s. u.) schlossen sich dem Verein an.

2. Hilfswerk der Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden – HVDM (1946)

Das Hilfswerk der Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden (HVDM) wurde 1946 gegründet, um die Hilfe amerikanischer und kanadischer Mennoniten nach dem Zweiten Weltkrieg durch eigene Aktivitäten zu ergänzen und zu erweitern. Zu den ersten Aufgaben gehörte die Verteilung der amerikanischen Care-Pakete. Außerdem wurden Kinderspeisungen und „Kinderverschickungen“ durchgeführt. Das HVDM richtete schon bald den Blick über die deutschen Grenzen hinaus. So wurde für die Opfer der Flutkatastrophe 1953 in den Niederlanden oder 1959 für die Erdbebenopfer in Agadir 1959 zu Spenden aufgerufen. Das HVDM war eine Art „Bereitschaftsdienst für alle anfallenden Aufgaben der Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden“. Bewältigt wurden die Aufgaben von der „Weierhöfer Stelle“, dem Büro des Hilfswerks mit seinem Geschäftsführer Richard →Hertzler.

Im Laufe der Jahre wurden neue Arbeitszweige eingerichtet. Das HVDM gründete 1949 den Mennonitischen Heime-Verein als Träger von Altenheimen und – zumindest zeitweise – auch eines Kinderheims und 1953 die Mennonitische Siedlungshilfe, die mit finanziellen Mitteln des MCC mennonitische Flüchtlingssiedlungen aufbaute. Außerdem beteiligte es sich an den Gründungen des Mennonitischen Freiwilligendienstes, des →Deutschen Mennonitischen Friedenskomitees und des Internationalen Freiwilligendienstes EIRENE.

Ab 1954 war das HVDM im Internationalen Mennonitischen Hilfswerk (IHM) engagiert, um neben der Flüchtlingshilfe in Westdeutschland auch Glaubensgeschwister in Berlin und in Ostdeutschland zu unterstützen. Die →Vereinigung Deutscher Mennonitengemeinden, das HVDM, der →Verband deutscher Mennonitengemeinden und das Hilfswerk Christenpflicht gründeten 1961 das Diakoniewerk der Mennoniten, das folgende Arbeitsgebiete übernahm: ein Kleiderprogramm, das Traineeprogramm und die Algerienhilfe vom MCC, sowie die Südamerikahilfe vor allem für Paraguay, die Indianermission und die Betreuung von Studenten aus Paraguay. 1967 übertrugen das IMH und das Diakoniewerk ihre Aufgaben dann an die neu gegründete Internationale Mennonitische Organisation (IMO).

Nach der Gründung der IMO wurde die „Weierhöfer Stelle“ aufgelöst. Das HVDM wurde in die Vereinigung integriert und das Konto des HVDM diente als Durchlauf für die Spenden, die für die Hilfswerksarbeit überwiesen wurden.

Mit der Gründung der →Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland (AMG) veränderte sich die Struktur der Gemeinden. Die Vereinigung wurde verkleinert. Die Pflälzer Gemeinden traten aus und die schon lange bestehende →Arbeitsgemeinschaft südwestdeutscher Mennonitengemeinden (ASM) übernahm deren Vertretung in der AMG. Von dieser Teilung war auch das HVDM betroffen. Die ASM-Gemeinden organisierten sich als Hilfswerk der ASM.

Dem HVDM wurde daraufhin ein neuer Status in der Vereinigung verliehen. Ein Kuratorium für Hilfswerksarbeit wurde gewählt. Die Betreuung von Aussiedlern rückte in den Mittelpunkt, und Hilfswerksarbeit in den neuen Bundesländern wurde organisiert. Von der IMO kam der Auftrag an die Mitgliedsorganisationen, wieder mehr Verantwortung zu übernehmen. Der Chaco in Paraguay und Afrika gehörten zu den Gebieten, in denen sich das HVDM schwerpunktmäßig engagierte.

Mit Gründung des Mennonitischen Hilfswerks e. V. (MH) 2001 ging die Arbeit des HVDM in der neuen, gesamtdeutschen Organisation auf. Die Mitgliedsgemeinden schlossen sich dem MH an.

3. Hilfswerk der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Mennonitengemeinden – HASM

Das Hilfswerk der ASM (HASM) bestand aus einem Gremium, dessen zehn Mitglieder von der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Mennonitengemeinden e. V. (ASM) mit der Aufgabe betraut wurden, im Zusammenwirken mit anderen Hilfswerken Hilfe für bedürftige Menschen zu leisten. Dieser Hilfswerksauschuss, der sich mehrmals jährlich traf, war mit seiner Arbeit und seinem Haushalt der Mitgliederversammlung der ASM rechenschaftspflichtig. Er hatte die Aufgabe, die Gemeinden über Projekte zu informieren und für Spenden zu werben. Projekte, für die Spenden erbeten wurden, waren zum einen Projekte der IMO und zum anderen das Projekt „Bosnienhilfe“.

4. Bosnienhilfe von HASM und anderen Werken

Das Projekt in „Bosnien“ war ein eigenes Projekt, das zusammen mit den anderen deutschen mennonitischen Hilfswerken und dem Friedenskomitee durchgeführt und verantwortet wurde. Im Rahmen der Hilfslieferungen nach Kroatien, Serbien und Bosnien, die das Mennonitische Hilfswerk in der Zeit von 1992 bis 2002 tätigte, wurde 1996 mit Hilfslieferungen nach Prijedor in Bosnien begonnen. Zuvor waren Mitarbeiter dieses Hilfswerks durch Vermittlung des MCC mit „Bread of Life“ (BoL), dem baptistisch/pfingstlerischem Hilfswerk in Belgrad, in Kontakt gekommen und lieferten Hilfsgüter nach Belgrad. Bald wurde diese Arbeit auch auf Prijedor ausgedehnt. Zwischen 1996 und 2002 wurden unter der Leitung von Roswitha und Werner Funck sowie der Mitwirkung des Geschäftsführers der „Ex-Jugoslawienhilfe“, Wolfgang Seibel, und zahlreicher Helfer insgesamt vierzig Hilfstransporte mit ca. 680 Tonnen an Hilfsgütern nach Prijedor gebracht. Im Zuge dieser Arbeit, an der bald Danko Malesevic beteiligt war, entstand eine kleine freikirchliche Gemeinde, deren Mitglieder bei der Verteilung der Hilfsgüter und dem Aufbau einer sozialen Arbeit mithalfen. So konnten dauerhafte Hilfs- und Förderstrukturen in Prijedor aufgebaut werden: eine Suppenküche, die vom Sozialamt der Stadt finanziell unterstützt wird, die Verteilung von Lebensmittelpaketen und gebrauchter Kleidung, die Kirchen in Schweden schicken, soziale Betreuung, eine Art Besuchsdienst, von älteren Menschen, Hilfen beim Renovieren und Aufbau von Häusern für sozial schwache Familien mit Spenden aus den Niederlanden und vieles mehr.

5. Aus großer Freude – AgF (1980)

Der Hamburger Mennonit Prof. Dr. Dr. h. c. Helmut →Greve wirkte seit 1972 im Vorstand der IMO mit und war von 1976 bis 1979 ihr Vorsitzender. 1980 gründete er zusammen mit seiner Frau den familieneigenen Verein „Aus großer Freude“, der im Zusammenwirken mit IMO und anderen Hilfswerken, dann aber auch allein „Hilfe zur Selbsthilfe“ für etwa 12.000 Indigene in der paraguayischen Steppe des Chaco leistete. Dieser Verein errichtete ein Nervenasyl in Asunción, förderte den Betrieb von Alters- und Kinderheimen sowie von Schulen und unterstützte die örtlichen Hilfswerke in Nicaragua, Guatemala, Brasilien, Uruguay und besonders Bolivien.

In Indien wurden ein Waisenheim und Projekte zur Berufsausbildung junger Mädchen unterstützt. In Afrika kamen in Zusammenarbeit mit lutherischen und mennonitischen Gemeinden namhafte finanzielle Zuwendungen dem Schulbau, vor allem aber der wirksamen Bekämpfung der rituellen Genitalverstümmelung von jungen Frauen im Tschad, Westafrika und zuletzt besonders in Kenia zu Gute.

Außer Mittel- und Südamerika, Indien und Afrika wurden auch europäischen Staaten Hilfen gewährt. Unter Beteiligung des Hamburger Senats, des Auswärtigen Amtes, der evangelisch-lutherischen und katholischen Kirche wurde 1990/91 die Winternothilfe in Bulgarien ermöglicht, wurden in Rumänien die Betreuung von Heimkindern in Cristuru Securesc (Siebenbürgen) realisiert, in Ungarn humanitäre Hilfe in Zusammenarbeit mit der Ungarischen Assoziation des Souveränen Malteser Ritter-Ordens geleistet und in Estland die Betreuung von Straßenkindern und Senioren in Tallinn ermöglicht.

In Deutschland wurden im Rahmen der Umsiedlerbetreuung und in Zusammenarbeit mit internationalen mennonitischen Organisationen die Gründung von Gemeinden für russlanddeutsche Aussiedler und die Planung des Baues von Gemeindezentren z. B. in Elmshorn, Wolfsburg, Bechterdissen, Espelkamp und Neuwied unterstützt. Nach dem Tod Helmut Greves 2016 haben die Mitglieder der AgF sich verständigt, diese karitative Arbeit fortzusetzen.

6. Liebe deinen Nächsten – LDN (1995)

Der Verein „LDN – Liebe Deinen Nächsten“ wurde am 12. August 1995 von Mitgliedern der Mennonitengemeinde zu Hamburg und Altona gegründet. Der Verein will Menschen in Not im Geiste Jesu Christi helfen. Dieser Zweck wird insbesondere verwirklicht durch die Weitergabe von Mitteln an Hilfsbedürftige verwirklicht, vor allem in Entwicklungsgebieten, an die Internationale Mennonitische Organisation, an andere Körperschaften zum Einsatz im mildtätigen Bereich, an Hilfsbedürftige in Krisengebieten durch Zuwendung von Hilfsgütern. Innerhalb der IMO sah sich LDN für Projekte im Großraum Asunción und das Krankenhaus Hospital Mennonita KM 81 zuständig. Ein weiterer Schwerpunkt dieses Vereins erstreckte sich auf Hilfsaktionen für Kriegsflüchtlinge in Bosnien. So wurden Bekleidung und Lebensmittel, Schulmaterial, Spielzeug und Werkzeuge für den Aufbau gesammelt und nach Bosnien geschickt.

7. Internationale Mennonitische Organisation für Hilfswerk und andere christliche Aufgaben e. V. – IMO (1967)

Als die Internationale Mennonitische Organisation für Hilfswerke und andere christliche Aufgaben (IMO) 1967 gegründet wurde, trat sie das Erbe von Hilfsorganisationen in Europa an, die nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Zusammenarbeit mit nordamerikanischen Hilfswerken und Konferenzen entstanden waren: dem Internationalen Mennonitischen Hilfswerk (IMH), einer Arbeitsgemeinschaft des Mennonite Central Commitee (MCC), der niederländischen Stichting voor Bijzonderen Noden (BN), dem Hilfswerk der Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden (HVDM), und dem Diakoniewerk der Mennoniten (DWM), zu dem neben den drei Organisationen des IMH außerdem das Mennonitische Hilfswerk „Christenpflicht“ (MHC) sowie die Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden (VDM) und der Verband der deutschen Mennonitengemeinden (VdM) gehörten.

Seit Mitte der 1960er Jahre schien es zunehmend notwendig und erforderlich zu sein, die Zusammenarbeit dieser Organisationen zu straffen oder zu koordinieren. Im Herbst 1967 konnten sich die europäischen Partner dann auf eine gemeinsame Linie verständigen und gründeten die Internationale Mennonitische Organisation (IMO). Bewusst wollten die Vertreter des MCC nicht Mitglied dieser neuen europäischen Organisation sein, denn die Entwicklungen in Europa hatten deutliche Akzente gesetzt, die einen eigenen Weg vorzeichneten. Aber zwischen beiden Organisationen hat die partnerschaftliche Zusammenarbeit nicht aufgehört.

Die Möglichkeiten der IMO waren materiell und personell knapp und konzentrierten sich deshalb von Anfang an auf einige Schwerpunkte. So beteiligte sich die IMO an verschiedenen und verschiedenartigen internationalen Programmen: dem Freiwilligenprogramm, mit dem junge Menschen aus Europa für einen Dienst nach Übersee gesandt wurden, dem Patenschaftsprogramm, das Kindern und Jugendlichen in der Dritten Welt durch regelmäßige Spenden aus Europa eine Schul- und Ausbildung ermöglichte, dem Traineeprogramm, das jungen Mennoniten weltweit ermöglichte, ein Jahr über den eigenen Horizont zu sehen und anderswo zu arbeiten, dem Kleiderprogramm, mit dem an verschiedenen Orten Flüchtlingen geholfen wurde.

Ein Schwerpunkt konkreter Hilfeleistung ergab sich ebenfalls von Anfang an in Südamerika durch die Unterstützung der dort lebenden Mennoniten, die ihre Arbeit über ihre eigenen Siedlungen auf die in der Umgebung oft in großer Not lebenden indianischen Bevölkerung ausdehnten.

Die IMO sah sich nicht als in sich ruhende Organisation, sondern als Ort der Begegnung ihrer Mitglieder und Trägerwerke. Im kritischen Dialog wurden die Voraussetzungen für eine wirkungsvolle Hilfe geschaffen. Zu den Mitgliedern gehörten die niederländische Stichting voor Bijzondere Noden (BN), die sich später Doopzgesindes Werldwerk (dww) nannte, HASM, HVDM, MHC bzw. später MH und die beiden Werke AGF und LDN. Einige Zeit waren auch die Mennonitenbrüdergemeinden und das französische mennonitische Hilfswerk Caise de Secours (CdS) Mitglieder. Außerdem gab es im Verein persönliche Mitgliedschaften. Bis 1993 war die Stelle eines Geschäftsführers bei der IMO eingerichtet. Da die Aufgaben nicht ohne zentrale Stelle zu bewältigen waren, wurden verschiedene Tätigkeiten von einer Honorarkraft erledigt, faktisch hatte sie später auch wieder die Geschäftsführung inne. 2016 beschlossen die Trägerwerke die Auflösung der IMO mit Ablauf des Jahres 2017.

8. Mennonitisches Hilfswerk e. V. – MH (2000)

Am 1. Juni 2000 fand die Mitglieder- bzw. Gründungsversammlung des Mennonitischen Hilfswerks e. V. in Ludwigshafen statt. Dabei wurde der rechtliche Rahmen des früheren Mennonitischen Hilfswerks Christenpflicht weitergeführt. Der Name wurde in Mennonitisches Hilfswerk e. V. geändert. Im Rahmen dieser Mitgliederversammlung wurden Mitgliedsgemeinden aus der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Mennonitengemeinden und der Vereinigung deutscher Mennonitengemeinden in den bestehenden Verein aufgenommen. Faktisch wurde die Hilfswerksarbeit von MHC, HVDM und HASM zusammengelegt. In der Gründungsversammlung trat der gesamte Vorstand des ehemaligen MHC zurück, damit die Wahl für Vorstandsmitglieder aus den drei Regionalverbänden möglich wurde.

Als Begründung für den Zusammenschluss der drei Werke wurden genannt: Ausdrücklicher Wunsch einer großen Mehrheit der Gemeinden, die in der AMG zusammenarbeiten, strukturelle Verbesserung und Vereinfachung (Abbau von Doppelstrukturen), mehr Klarheit und Transparenz bei den Sammlungen, Kosteneinsparung bei der Geschäftsführung – Bündelung von Kräften und Ressourcen, innermennonitischer Einigungseffekt durch direkte Zusammenarbeit und gemeinsame Verantwortung.

Das Engagement des MH verlagerte sich in den Jahren nach der Gründung schwerpunktmäßig auf den afrikanischen Kontinent. Durch die Partnerschaft, die die Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden (AMG) mit der äthiopischen Meserete Kristos Kirche (MKC) eingegangen war, wurde Äthiopien zu einer Schwerpunktregion der Hilfswerksarbeit. Wichtige Arbeitszweige waren dort Hilfe für Bedürftige durch Mikrokredite, HIV-Prävention und Hilfe für Betroffene, Hilfe beim Aufbau von zwei Colleges und Prävention von Genitalverstümmelung bei Frauen. Schwierigkeiten in der Leitung der Meserete Kristos Kirche und im Hilfswerk dieser Kirche führten zur Beendigung der Zusammenarbeit. Von einem langjährigen Mitarbeiter des MKC-Hilfswerks wurde eine neue Hilfsorganisation gegründet, mit der das MH die Projektarbeit in Äthiopien fortführt.

In Tansania arbeitet das MH mit verschiedenen Gemeinden und Diözesen zusammen. Die Projekte sind vielfältig. Dazu gehören z. B. Schulbau, Aufbau von Krankenstationen, Schulungen von Leitungspersonal und Hilfe bei der Organisationsentwicklung.

Nach der Mennonitischen Weltkonferenz 2003 in Simbabwe hat das MH auf Bitten der dortigen Kirche der „Brüder in Christo“ (BICC), einer Mitgliedskirche der Mennonitischen Weltkonferenz, auch in diesem Land Hilfswerksprojekte ins Leben gerufen, vor allem im Ausbau von Schulen.

Eine weitere Aufgabe des MH ist die Katastrophenhilfe. Bei Katastrophensituationen wie Erdbeben, Dürre oder Krieg unterstützt das MH Partnerorganisationen mit finanziellen Mitteln. Die wichtigste Partnerorganisation ist dabei das MCC.

In Deutschland engagiert sich das MH für Migranten. In Karlsruhe hat der Verein ein Büro für Flüchtlingsberatung eingerichtet. Mit verschiedenen mennonitischen Gemeinden werden z. B. Sozialarbeit für Flüchtlinge oder Sprachkurse angeboten. Zu diesen Gemeinden gehören bzw. gehörten Berlin, Neuwied, München, Halle und Ludwigshafen.

Einen weiteren Arbeitszweig bildete das 2011 gegründete Team Globales Lernen. In Seminaren vermittelten die Mitarbeiter die Auswirkungen der Globalisierung und wiesen auf die Folgen des Konsums hin. Ziel war, das Verhalten der Teilnehmer zu ändern und Multiplikatoren für geändertes Konsumverhalten zu gewinnen.

Die Arbeit des Mennonitischen Hilfswerkes wird über Spenden finanziert. An Pfingsten (Pfingstsammlung), zum Erntedankfest (Dankopfersammlung – über die AMG mit Friedenskomitee und Missionskomitee) und an Weihnachten („Helft Hungernden“) werden Spendenaufrufe an die Mitgliedsgemeinden (und weitere unterstützende Gemeinden) versandt.

9. Weitere Mennonitische Hilfswerksarbeit

Im mennonitischen Umfeld in Deutschland gibt es weitere Werke, die sich mit Diakonie und Entwicklungshilfe beschäftigen. Aus dem Mennonitischen Heimeverein ist das Werk Menndia hervorgegangen. Das Anliegen des Vereins ist die gemeindenahe Unterstützung alter Menschen; →MEDA ist eine nordamerikanische Organisation mit einem Büro in Deutschland. MEDA hilft mit wirtschaftlichen Investitionen in Entwicklungsländern.

Die Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland (AMG) ist Mitglied in der Diakonischen Konferenz der Kirchen. Damit sind die Mitgliedsgemeinden auch Träger von „Brot für die Welt“. Außerdem gehört die AMG zu den Mitgliedern des Deutschen Weltgebetstagskomitees, das eine umfangreiche Hilfswerksarbeit aufgebaut hat.

Literatur

Rainer Wiebe, Vortrag zum Anlass der Eröffnung des MCC-Büros für NW-Europa in Bonn am 16. Mai 2004, Vortragsskript. - Günther Krüger, Im Namen Jesu Christi 1967 – 1997, in: Festschrift zum 30jährigen Bestehen der IMO, o. O. 1997, 22 -23. - Rainer Wiebe, Im Namen Jesu Christi 1967 – 1997, in: Festschrift zum 30jährigen Bestehen der IMO, 19 – 20. - Werner Funck, Im Namen Jesu Christi 1967 – 1997, in: Festschrift zum 30jährigen Bestehen der IMO, 18. - Roswitha und Werner Funck, Interner Bericht, 2013. - Rainer Kümpers, Im Namen Jesu Christi 1967 – 1997, in: Festschrift zum 30jährigen Bestehen der IMO, 21. - Conny Wiebe-Franzen, Im Namen Jesu Christi 1967 – 1997, in: Festschrift zum 30jährigen Bestehen der IMO, 8 – 9. - Günther Krüger, 75 Jahre und kein bisschen müde, in: Festschrift zum 75jährigen Bestehen des Mennonitischen Hilfswerk, Christenpflicht, 1997, 57–67.

Christoph Landes

 
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