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Sommer, Pierre
geb. am 15. Juni 1874 in Herbéviller (Meurthe et Moselle), gest. am 23. April 1952 in Grand-Charmont, Doubs, Frankreich; Ältester.
Pierre Sommer beendete die Schule mit dem Certificat d'études primaires und wurde mit dreizehn Jahren getauft. Zwölf Jahre später beurteilte er seine Taufe als „form- und sinnlos“. Von 1887 bis 1889 besuchte er die Realschule auf dem Weierhof (Pfalz). 1890 erkrankte er schwer an der Lunge, so schwer, dass er sich Fragen zu seinem Seelenheil stellte. Nach seiner Genesung machte er 1892 sein Baccalauréat (Abitur) in Lunéville. Er verbrachte ein drittes Jahr auf der Weierhof-Schule, wo er von dem Unterricht und Einfluss Christian Neffs stark profitierte. Darauf diente er im Militär. In den Jahren 1894 bis 1895 erlebte er eine tiefgreifende Bekehrung und studierte zwei Jahre lang an der Bibelschule St. Chrischona bei Basel.
1899 wurde er Prediger in der Mennonitengemeinde Repaix (bei Herbéviller) und 1901 ihr Ältester. Er übte diese Dienste parallel zu seiner Hofwirtschaft aus. 1909 heiratete er Anna Kennel in Grand-Charmont. Im Ersten Weltkrieg wurde er als „Zouave“-Soldat in Südtunesien eingezogen. Nach dem Krieg besuchte er die jungen Leute, Quäker und Mennoniten, Pazifisten aus Nordamerika, die beim Wiederaufbau von Häusern in Clermont en Argonne mithalfen. Seine Zweisprachigkeit kam ihm immer wieder bei Kontakten mit zahlreichen anderen Mennoniten zu Gute. Seine bedeutende Korrespondenz zeugt von einem sehr aufgeschlossenen Mann. Er korrespondierte über geschichtliche, theologische und missiologische Themen mit deutschen, schweizerischen, nordamerikanischen Mennoniten, deutschsprachigen Russlandmennoniten (in den Hungerjahren 1931–1933) und mit französische Mennoniten.
Unter den Einfluss von Pierre Sommer ging durch die französischen Gemeinden von 1900 bis 1941 eine Erweckungsbewegung. Er gründete eine gemeinsame Zeitschrift der Mennonitengemeinden, Christ Seul (→Zeitschriften), und initiierte „Konferenzen“. Er befürwortete die gemeinsame Arbeit unter den französichen Mennonitengemeinden und war ihr Historiker, bis Jean →Séguy ihn mit seiner umfangreichen Darstellung über die Mennonitengemeinden in Frankreich ablöste. Er war auch Reiseprediger der französich sprechenden Mennonitengemeinden. Seine „Winterkurse“ in Grand-Charmont und Montbéliard (von 1929 bis 1934) waren Vorreiter der späteren Bibelschule in Basel und dann auf dem →Bienenberg.
Er bleibt in Erinnerung als ein klarsichtiger, innovativer Mann, der viele Aufgaben in Angriff nahm: Prediger, Evangelist, Freund der Mission, Erzieher, Historiker. Er ergriff Initiativen und hatte das Temperament eines Anführers. Er erlebte die ersten Anzeichen einer neuen Wahrnehmung mennonitscher Existenz in den französischen Gemeinden, und das zu einer Zeit, als die Gemeinden sich vom Pietismus ab- und der Wiedererweckung zuwandten. Diese Bewegung hat er auf seine Art und Weise begleitet. Er gehörte zu der Generation von Valentin Pelsy, Pierre Kennel und Christ Graber. Er wollte die zerstreuten Mennonitengemeinden wieder vereinen. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er sich für die Vereinigung mit den Gemeinden aus den drei deutschsprachigen Départements (Haut-Rhin, Bas-Rhin und Moselle) ein.
Veröffentlichungen
Historique des Assemblées, paru dans Christ Seul vom April 1929 bis Mai 1933, hg. von Willy Hege, Altkirch 1981. - Pierre Widmer, Pages choisies de Pierre Sommer, mit einer biografischen Skizze, Grand-Charmont, Doubs, 1955.
Literatur
Jean Séguy, Les assemblées anabaptistes-mennonites de France, Mouton und La Haye 1977. - Dossier zu Pierre Sommer, in: Christ Seul 12, 1952. - André Nussbaumer, Pierre Kennel: le réfractaire (1886–1945). Un prophète qui crie dans le désert, in: Souvenance anabaptiste/Mennonitisches Gedächtnis, Bulletin annuel de l´Association francaise d´Histoire Anabaptiste-Mennonite 25, 2006, 62–68. - Valentin Pelsy, Un serviteur de la Parole, in: ders., Précis d'histoire des églises mennonites, Montbéliard 1914/ anonymer Wiederabdruck 1937.
Claude Baecher