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Hege, Christian
geb. am 20. Dezember 1869 in Bonfeld/Württemberg, gest. am 13. September 1943 in Eichstätt/Bayern, Deutschland; Redakteur, Historiker, Begründer und Mitherausgeber des Mennonitischen Lexikons.
Christian Hege entstammt der badischen Linie der weitverzweigten Mennonitenfamilie Hege, die schweizerischen Ursprungs ist. Sein Großvater Ulrich Hege (1808—1872) sowie vier Brüder und drei Schwäger des Vaters waren bekannte und zum Teil recht bedeutsame Älteste im badisch-württembergischen →Verband. Seine Eltern waren die Gutspächter (später Immobilienmakler) Daniel Hege (1836–1900) und Magdalena, geb. Schmutz (1838–1875) in Bonfeld. Christian Hege besuchte das Realgymnasium in München und studierte von 1890 bis 1893 an der Technischen Hochschule in München Nationalökonomie, Handelswissenschaft und Geschichte, von 1891–1933 war er Redakteur des Handelsteils der Frankfurter Nachrichten. In den 1890er Jahren gründete er die auflagenstarke Familienzeitschrift Frankfurter Frauen.
Während seines Studiums hörte er vor allem Vorlesungen bei Felix Stier, der ein Schüler des Historikers Carl Adolf Cornelius war. Cornelius war mit seiner zweibändigen Geschichte des Münsterischen Aufruhrs (1855/60) auch unter den Mennoniten bekannt geworden. Hier erwachte bereits das Interesse Heges an der wissenschaftlichen Täuferforschung, die sich gegen die veraltete, polemisch-konfessionalistische bzw. dogmatische Beurteilung der täuferischen Geschichte wandte. Dabei ging es ihm nicht um eine Ehrenrettung des Täufermennonitentums, sondern um eine konstruktive Erneuerung und Förderung des Gemeindelebens. Auch wollte er die zerstreuten Mennoniten in neuen Gemeinden zusammenführen. Das kam in vielen Artikeln zum Ausdruck, die Ende des 19. und bis weit ins 20. Jh. hinein im Gemeindeblatt der Mennoniten und in den Mennonitischen Blättern (→Zeitschriften) erschienen. 1899 wurde ihm von der →Konferenz Süddeutscher Mennoniten die seelsorgerliche Betreuung mennonitischer Soldaten übertragen, was zur Gründung der „Soldatenkommission“ führte. Die Berichte, die er als Vorsitzender der Soldatenkommission, aus der die →„Jugendkommission“ hervorging, sowie die 1908 erschienene Schrift Warnungen und Winke und die Soldatenliste mit allen mennonitischen Rekruten, sind ein Zeugnis seines hingebungsvollen Einsatzes und seiner Gewissenhaftigkeit.
Neben diesen praktischen Gemeindeaufgaben beschäftigte sich Christian Hege seit 1907 mehr und mehr mit der Geschichte der mennonitischen Gemeinden. Von besonderer Bedeutung wurde die Begegnung mit Christian →Neff im Jahre 1893, aus der eine fünfzigjährige Verbundenheit in der Forschungsarbeit entsprang. 1908 schrieb er sein historisches Hauptwerk Die Täufer in der Kurpfalz, für das ihm Christian Neff die Quellen aus dem General-Landesarchiv in Karlsruhe zuführte. Nachdem Hege 1925 die Vermahnung“ Pilgram →Marpecks im Staatsarchiv in Zürich entdeckt hatte, trug er wesentlich zur Marpeck-Forschung bei. Nach der Vollendung seines Buchs über die Täufer in der Kurpfalz steuerte Hege die Herausgabe eines großen Nachschlagewerkes an, das alles enthalten sollte, was das Täufermennonitentum in aller Welt in Vergangenheit und Gegenwart betrifft. Dabei wurde er von Christian Neff und anderen Autoren unterstützt. Nach langer Vorarbeit erschien 1913 die erste Lieferung des Mennonitischen Lexikons, der erste Band erschien 1923, der zweite Band und weitere Lieferungen bis 1942; vollendet wurde dieses Lexikon erst von Gerhard →Hein im Jahre 1967. Auf eine Anregung von Hege aus dem Jahr 1908 kam es im April 1933 in Berlin zur Gründung des →Mennonitischen Geschichtsvereins; Christian Neff wurde Vorsitzender, Christian Hege Schriftführer, zu dessen Lebzeiten fünf Hefte der Mennonitischen Geschichtsblätter erschienen waren. In der Geschichtsforschung fand er die Unterstützung seiner Frau (Christine →Hege) und der ganzen Familie. 1935 schrieb er den Rückblick 400 Jahre mennonitische Geschichte, ausgehend von zwei Vorträgen, die sein Sohn Fritz Hege (1916–1942) im Jahre 1933 als Gymnasiast gehalten hatte; sein Sohn Otto Hege (1900–1921) trug einige Artikel zu Märtyrern für das Mennonitische Lexikon bei. Neben der allgemeinen Geschichte interessierte Hege sich auch für die Geschichte seiner eigenen Familie. Auf Anregung des 1. Hege-Familientages brachte er das Heft 1 einer Chronik der Familie Hege mit Stammtafeln als erstes Exemplar einer geplanten Familienzeitschrift heraus.
Seine letzte Ruhestätte fand Hege 1943 in der Grabstätte seines Vaters auf dem Friedhof der Mennonitengemeinde Eichstock b. Dachau. Den Forscher und Publizisten täuferisch-mennonitischer Geschichte und seiner Frau Christine Hege hat der Mennonitische Geschichtsverein 2003 an der Grabstätte seines Vaters mit einer Gedenktafel geehrt.
Werke
Die Täufer in der Kurpfalz, 1908 – Rückblick auf 400 Jahre mennonitischer Geschichte, Frankfurt/M. 1936 - Hg. Mennonitisches Lexikon Bd. I – III. - Zahlreiche Artikel im Mennonitischen Lexikon.
Literatur
Eberhard Teufel, Nachruf, in: Theologische Rundschau, 15, 1943, 58 f. - Walter Köhler, Nachruf, in: Theologische Literaturzeitung, 1944, S.1 f. - Christian Neff, Zum Gedenken an Christian Hege; Adele Hege, Gedenkworte für die Generalversammlung des Mennonitischen Geschichtsvereins. - Christian Neff, Bibliografie von Christian Hege, in: Mennonitische Geschichtsblätter 1949, 14, 15–21, 23–27, (mit Bild). - Ernst Crous, Hege und Neff als Historiker, Der Mennonit, 1960, 20–22, 36–37, 52–53, 69 (Bild). - Gerhard Hein, Christian Hege 1869–1943, in: Mennonitischer Gemeinde Kalender 70, 1970, S.19–23 (Bild). - Ernst Crous und Gerhard Hein, Hege und Neff, in: Mennonitisches Lexikon, Band 4, 1967, 655 f. - Gerhard Hein, Chronik der Familie Hege, Heft 2, Karlsruhe 1970 mit Ahnentafeln.
Helmut Funck