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Kossen, Hendrik Bernardus

geb. am 3. Dezember 1923 in Bolsward, gest. am 28. November 2009 in Amsterdam, Niederlande; Prediger und Professor für praktische Theologie am Doopsgezinde Seminarie in Amsterdam.

Hendrik Kossen wurde im mennonitischen Pfarrhaus in Bolsward geboren. Nach dem Eintritt in den Ruhestand des Vaters, Dirk Kossen (1865–1933), der lange Zeit Prediger in Akkrum und Bolsward war, zog die Familie nach Driehuis um, einem Ort zwischen Haarlem und IJmuiden. Seine Mutter Henriette Bernardine Kossen-van Rijn setzte sich nach dem Ableben ihres Mannes mit großer Begeisterung für das mennonitische Gemeinschaftshaus Schoorl ein. In Haarlem besuchte Kossen das Städtische humanistische Gymnasium, und nach der Evakuierung in die Betuwe während der letzten Kriegsjahre wurde er im November 1945 getauft. Da hatte er bereits sein Theologiestudium aufgenommen, das er schnell und mit Freude 1950 abschloss. Inzwischen hatte er bereits seine ersten internationalen Erfahrungen gesammelt: ein Semester am Manchester College in Oxford, eine ökumenische Jugendkonferenz in Skandinavien, an der auch asiatische Jugendliche teilnahmen. Besonders bedeutsam war für ihn die Teilnahme an der Gründungsversammlung des Weltkirchenrates in Amsterdam 1948. Diese ökumenischen Erfahrungen sollten einen tiefgehenden Einfluss auf ihn ausüben.

Im Oktober 1950 heiratete er Elzeline Offerhaus (1923–1998), sie bekamen gemeinsam vier Töchter. Elzeline Kossen sollte später auch eine wichtige emanzipatorische Rolle innerhalb der Mennonitengemeinden und der Ökumene spielen und ihren Mann auf vielen Reisen in die ganze Welt begleiten. Kossen war Prediger in IJlst (1950), Berlikum (1956) und Zeist (1961). In seinen friesischen Jahren gründete er mit anderen jungen Kollegen eine ekklesiologische Studiengruppe, die unter dem Namen „elftal (Mannschaft)“ bekannt wurde. Entstanden aus einem gewissen Unbehagen über den Mangel an biblischem und theologischem Grundlagenwissen ihrer Gemeindeglieder, veröffentlichte diese Gruppe nicht weniger als drei praktisch-theologische Bände. Einer der inspirierenden Kräfte dieser elf jungen Theologen war Dr. W. F. →Golterman. Seine ökumenischen und liturgischen Einstellungen wirkten erneuernd, auch wenn sie gelegentlich auf Widerstand stießen. Auch hier finden sich Wurzeln für die späteren Interessengebiete Kossens.

Zunächst arbeitete er mit großer Disziplin an seiner Dissertation zum historischen Jesus im Denken Albert Schweitzers. Er verteidigte sie am 25. März 1960 an der Universität Amsterdam. Sein Doktorvater war Professor J. N. Sevenster. Dennoch sollte Kossen nicht sein Fachgebiet Neues Testament weiter bearbeiten, abgesehen von einigen wissenschaftlichen Artikeln, unter anderen über die Griechen in Joh. 20, 2 und über die Taufe der messianischen Gemeinde. Die messianische Sehnsucht sollte häufig in seinen Schriften angesprochen werden, und eine der Thesen seiner Dissertation brachte schon damals seine tiefste Überzeugung zum Ausdruck: „Da in Christus der Friede der Völker gegeben ist, wird die Sichtbarkeit der Einheit der Kirchen von heilsamer Bedeutung für das Zusammenleben der Völker sein.“ Ökumene, Friedenstheologie und die bekennende Rolle in der Praxis der christlichen Gemeinde finden in dieser These zusammen.

In Zeist war Kossen einer der Mitbegründer des örtlichen ökumenischen Rates der Kirchen, und 1968 war er an der Entstehung des heutigen Rates der Kirchen der Niederlande beteiligt, deren stellvertretender Vorsitzender er ebenfalls einige Jahre war. Er vertrat die Mennonitengemeinden während der Konferenzen des Weltkirchenrates in Nairobi (1975) und Vancouver (1983) und war einer der Hauptreferenten auf der →Mennonitischen Weltkonferenz in Wichita 1978. Kossen diente der Ökumene auch durch Schriften, wie z. B. die zusammen mit Sjouke →Voolstra aufgesetzte Reaktion der niederländischen Mennoniten auf den Bericht des Weltkirchenrates über Taufe, Eucharistie und Amt (Lima-Bericht, 1984) und seine sorgfältige Ausarbeitung einer Formulierung zugunsten der niederländischen Mennoniten, die die Einheit der Kirchen trotz der Anerkennung des fundamentalen Unterschiedes in der Praxis der Taufe befestigte.

1968 war er außerdem zum Nachfolger von Willem F. Golterman als Professor für Praktische Theologie am Taufgesinntenseminar, damals noch Teil der Universität Amsterdam, ernannt worden. Die Turbulenzen an den Universitäten, wo die Studenten ihre Rechte einforderten, machten die ersten Jahre alles andere als einfach. Doch danach entwickelte sich eine Blütezeit ökumenischer Zusammenarbeit innerhalb der gemeinsamen kirchlichen Ausbildung von Lutheranern, Niederländisch-Reformierten und Mennoniten an der Universität Amsterdam. Mit Herz und Seele hat sich Kossen dafür aus aufrichtiger Kollegialität eingesetzt. Außerdem war das die Hochblüte der sog. Amsterdamer Schule, mit ihrer Synthese, die den Nachdruck auf die Relevanz erzählender Texte der Heiligen Schrift als religiöses Ganzes und zugleich auf die radikale, durch →Karl Barth und Karl Marx inspirierte gesellschaftliche Theologie legte. Auch die Befreiungstheologie spielte in jener Zeit eine Rolle. Alle diese Elemente lassen sich in Kossens Veröffentlichungen jener Jahre wiederfinden, oft sofort schon zum Nutzen der Gemeinde formuliert und übersetzt. Auch im Algemeen Doopsgezind Weekblad und in anderen Zeitschriften sind eine Anzahl seiner Beiträge veröffentlicht worden. Aufbau der Gemeinde und Apostolat bildeten die wesentlichen Gesichtspunkte seiner Lehrtätigkeit und seines Denkens. Sie hatten in seiner Vorstellung immer eine „politische“ Dimension, die er niemals verheimlichte. Aber als in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts in den niederländischen Mennonitengemeinden eine heftige Auseinandersetzung über jene „politische“ Dimension tobte, war er auch derjenige, der nach Harmonie und Ausgleich strebte und um Aufmerksamkeit für die Position der Minderheit in der Gemeinde bat. Übrigens fand während Kossens Lehrtätigkeit am Seminar auch die Einführung des sogenannten Zweiten Weges am Taufgesinnten Seminar statt, die denjenigen eine pastoraltheologische Studienmöglichkeit erschloss, die kein komplettes Studium am Seminar durchführen konnten. Diese Innovation passte zu Kossens Ausrichtung seiner Lehrtätigkeit auf die Gemeinde.

Die Radikalisierung der Theologie veranlasste ihn als einem entschiedenen Nachfolger des Messias auch zu konsequentem Handeln in der Zeit der Demonstrationen gegen die Cruise-Missiles und gegen die Verwendung der Steuern zu Zwecken militärischer Verteidigung. Wegen seiner prinzipientreuen Haltung in der Steuerfrage wurde ein Teil seines Mobiliars konfisziert und versteigert. Dass dieser ernstzunehmende Professor es so weit kommen ließ, wurde von der Presse im ganzen Land berichtet. Doch Kossen war überzeugt vom Gott des Friedens als Bundesgenosse, wie der Titel seiner Abschiedsvorlesung 1989 lautete, und er ließ nie einen Zweifel an dem messianischen Reich als Zukunftsperspektive für jeden Christen zu. Eine Festschrift mit Beiträgen von Freunden mit dem Titel Oecumenisme (1989) gibt einen guten Einblick in den Kontext seiner Arbeit und seine Person.

Die Weltkirche zog noch auf andere Weise seine Aufmerksamkeit auf sich: Er wurde ein hochgeachteter, unabhängiger Vorsitzender des Niederländischen Missionsrates (1983 bis 1991) in einer Zeit der Neubesinnung auf die →Mission, der bedeutenden Rolle des interreligiösen Dialogs und des Widerstands gegen die Apartheid. Direkt nach seiner Emeritierung hielt er ein Semester lang Vorlesungen an der Akademi Kristen Wijata Wicana, dem Mennonitischen Seminar in Pati, Indonesien, und konnte auf diese Weise Erfahrungen mit der Kirche auf der anderen Seite des Erdballs sammeln.

Innerhalb der niederländischen Mennonitengemeinden erfüllte Kossen lange Jahre die Rolle eines weisen und maßgeblichen theologischen Beraters – immer aus seiner Lebenshaltung der Bescheidenheit heraus. Seit 1964 war er Mitglied und später als Professor Berater der →Algemene Doopsgezinde Societeit (ADS). Fast vierzig Jahre war er in der Kommission für Geistige Belange tätig, die den Vorstand der ADS anregte, und beriet zu Themen wie Taufe und Zusammenarbeit mit anderen Denominationen. Auch der Text der Präambel der heutigen Geschäftsordnung der ADS stammt aus seiner Feder. Schließlich waren er und seine Frau – eigentlich schon seit dem Beginn seiner Laufbahn als Prediger – außerordentlich geschätzte Seelsorger während der Urlaubszeiten in Fredeshiem und später in Elspeet. Dort fühlten sie sich zuhause. Möglicherweise zeigte sich dort der Horizont des messianischen Friedensreiches am deutlichsten. Nach seiner Emeritierung blieb Hendrik Kossen noch einige Jahre rege, doch die Krankheit und der Tod seiner Frau schwächten seine Kräfte. Sein letzter wissenschaftlicher Beitrag stammt aus dem Jahr 2002.

Veröffentlichungen (Auswahl)

Op zoek naar de historische Jezus: een studie over Albert Schweitzers visie op Jezus' leven, Assen 1960. - De doop van de Messiaanse gemeente, in: Nederlands Theologisch Tijdschrift 17, 1,1963, 1–20. - De plaats van de wetenschap in de samenleving naar de opvatting van Eugen Rosenstock Huessy, o. O. 1969). - Who were the Greeks of John XX:20 ?, in: Studies in John presented to Professor Dr. J. N. Sevenster [Supplements to Novum Testamentum Vol. XXIV, Leiden 1970, 97–110. - The Kingdom confronting the Powers, in: The Kingdom of God in a changing World (Proceedings Mennonite World Conference 10), Wichita, KA, 1977, 69–76. - De kwaliteit der eenheid als oecumenische prioriteit, in: Doopsgezinde Bijdragen 6, 1980, 87–95. - Der Friedensbegriff in der Bibel, in: Christen im Streit um den Frieden. Beiträge zu einer neuen Friedensethik (Ausgabe Aktion Sühnezeichen), Freiburg, 1982, 36–47. - The peace church in a world of conflict, in: Conrad Grebel Review 2, 1984, 1–9. - Bewust gemeentebeleid – waarom, waartoe en hoe?, in: Doen wat te doen staat; denken over pastoraat, ’s-Gravenhage 1984, 88–94. - De God des Vredes als bondgenoot: de gemeente in de maatschappij, o. O. 1989. - Jesus Christus – het Leven der Wereld als de Naaste voor Israël en de volken. Levinas over het kwade als keerzijde van het goede en de ethiek, in: Lies Brussee-van der Zee u. a. (Hg.), Balanceren op de smalle weg, Zoetermeer 2002, 385–409. - Vorläufige komplette Bibliografie im Doopsgezind Documentatie Centrum, in der Doopsgezinde Bibliothek, Universitätsbibliothek Amsterdam.

Literatur

A. Lambo (Hg.), Oecumennisme, Amsterdam 1989 (bes. 129–143). - J. P. Boendermaker, In Memoriam Prof. Dr. H. B. Kossen, in: Doopsgezind NL 4, 26: 19. 12. 2009. - In Memoriam Hendrik Bernadus Kossen, in: Doopsgezind Jaarboekje 104, 2010, 9–12.

Alle G. Hoekema

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