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Mantz, Felix
geb. um 1500, gest. am 5. Januar 1527 in Zürich, Schweiz; Mitbegründer des Zürcher Täufertums und dessen erster Märtyrer.
Felix Mantz war der illegitime Sohn eines Zürcher Chorherrn. Er verfügte über eine gute Ausbildung in lateinischer, griechischer und hebräischer Sprache. 1520 – 1521 gehörte er einer humanistischen Sodalitas an, die Ulrich →Zwingli um sich geschart hatte und zu der auch Konrad →Grebel und Simon Stumpf gestoßen waren. Diese Gruppe studierte die biblischen Sprachen in einer Atmosphäre gegenseitiger Achtung und markierte den Beginn laizistischer Impulse in der Zürcher Reformation. Um 1524 ist Mantz dann in einer Gruppe von Reformationsanhängern zu finden, die Zwinglis Verteidigung der Kindertaufe und dessen enge Zusammenarbeit mit der Zürcher Obrigkeit in Frage stellten. Mantz war einer der sieben Unterzeichner des Briefes, den Konrad Grebel am 5. September 1524 an Thomas →Müntzer schrieb. Sie lobten dessen Schriften zur Taufe und sahen in ihm einen Verbündeten gegen die Hauptreformatoren in Wittenberg und Zürich. Im Dezember 1524 übergab Mantz dem Zürcher Rat eine Protestation, in der er die Verbindung kritisierte, die Zwingli zwischen Beschneidung und →Taufe herstellte, ja, zwischen dem Bund Gottes mit Abraham und dem Bund, den Gott in Christus mit den Menschen schloss. Da Mantz Beweise aus dem Alten und dem Neuen Testament in der Protestation heranzog, bewegte er sich offensichtlich nicht im Rahmen einer Hermeneutik, wie sie später bei den Schweizer Täufern im Hinblick auf das Neue Testament ausgebildet wurde. Die Protestation orientierte sich an Mt. 15, 13, an einem Text, den auch Andreas →Karlstadt oft anführte: „Alle Pflanzen, die mein himmlischer Vater nicht pflanzte, die werden ausgerissen.“ Anstatt im Schweizer Dialekt zu schreiben, befleißigte er sich – wie Karlstadt und Martin →Luther – der hochdeutschen Sprache. In den vorangegangenen Monaten, von Oktober bis November, hatte Mantz die Drucklegung der sechs Traktate Karlstadts gegen Luther über den Gang der Reformation überwacht und für die Verbreitung von tausenden von Exemplaren dieser Schriften in den Herrschaftsgebieten Zürichs gesorgt. Aufgrund der Intervention Johannes Ökolampads, des Reformators in Basel, konnte Karlstadts Dialogus vom Tauff der Kinder, den Mantz besonders schätzte, in jenen Tagen nicht veröffentlicht werden.
Im Nachhinein erinnerte sich Zwingli 1527, dass Grebel, Stumpf und Mantz ihm einst vorgeschlagen hatten, seine reformgesinnten Anhänger aufzurufen, sich von der Kirche Zürichs zu trennen und eine eigene Kirche zu gründen, die sicherlich die Mehrheit der Zürcher Bürger umfassen würde und die gegenwärtige Obrigkeit durch eine neue, die Reformation rückhaltlos unterstützende Obrigkeit ersetzen könnte. Zwingli fügte die Bemerkung hinzu, dass besonders Mantz es war, der eine Kirche wahrer Christen, die nicht mehr sündigen würden, gründen wollte. Es gibt zwar Gründe, dem mit heftiger Polemik versetzten Bericht Zwinglis zu misstrauen. Andererseits ist es aber möglich, in Mantz einen ausgesprochen optimistischen Reformer unter den Zürcher Täufern hinsichtlich der ethischen Möglichkeiten der Christen nach der Wiedergeburt zu sehen. Auf ihn gingen die besonders klar dokumentierten Stellungnahmen zu den beiden hochgesteckten ethischen Ziele in der Anfangszeit der schweizerischen, süddeutschen und mährischen Täufer zurück: die Wehrlosigkeit und die Gemeinschaft der Güter. Auch forderte er, dass ein Christ kein obrigkeitliches Amt bekleiden dürfe, noch „mit dem schwert richten noch jemans todenn noch straffen sollt“. Auch unterrichtete er Mitglieder der ersten Täufergemeinde in Zollikon über „lieby, einigkeit und gemeinschafft aller dingen, wie auch der apostel actorum am 2“. Deutlicher als Grebel, geschweige denn Balthasar →Hubmaier, war Mantz ein Exponent dieser besonderen Art zu leben, wie sie sich im schweizerischen, süddeutschen und mährischen Täufertum vorzugsweise herausbildete.
Über die Kindertaufe wurde auf der Zürcher Ratsstube am 17. Januar 1525 disputiert. Auf dieser Disputation vertraten Mantz, Grebel und Wilhelm →Reublin, ein Prädikant auf der Landschaft, die Anschauung von der Taufe ausschließlich mündiger Christen. Der Rat erklärte Zwingli zum Sieger über seine Disputationsgegner und legte es Grebel und Mantz nahe, alle Zusammenkünfte mit ihren Gesinnungsgenossen einzustellen. Kurz darauf antworteten sie (nach Fritz Blanke am 21. Januar 1525) mit dem erstmaligen Vollzug der Erwachsenentaufe, indem sie sich über die Autorität der Zürcher Obrigkeit hinwegsetzten. Auf dieses Ereignis wird gewöhnlich der Beginn des Täufertums datiert.
Mantz arbeitete aktiv für die Verbreitung der neuen Taufe und wurde von Grebel oder Blaurock, gelegentlich sogar von beiden begleitet. Er wandte sich den Herrschaftsgebieten Basels, Graubündens, Appenzells, St. Gallens, Schaffhausens und dem Grüninger Amt im Zürcher Oberland zu. Vor allem in den drei letzteren Gebieten bewegte er sich inmitten oder in den Nachwehen der bäuerlichen Erhebungen. Hier war die Autorität der Zürcher Obrigkeit und der zwinglischen Prädikanten ernsthaft beschädigt worden, die in ihren Predigten zunächst zwar Fragen zur Kindertaufpraxis und zum Kirchenzehnt gestellt hatten, aber zurückschreckten, sobald sich die Rebellion des gemeinen Mannes anzukündigen schien.
Die Zürcher Obrigkeit wurde zunehmend von den täuferischen Anführern beunruhigt, die weder durch die aufeinander folgenden Disputationen noch die wiederholten Verhaftungen zum Schweigen gebracht werden konnten. Am 7. März 1526 wurden Mantz, Grebel und Blaurock zu Gefängnisstrafen bei Wasser und Brot verurteilt. Sie sollten im „Neuen Turm“ bleiben, bis sie dort „ersterben“. Der Rat war entschlossen, die Fortsetzung täuferischer Aktivitäten fortan durch Ertränken zu ahnden. Zwei Wochen später brachen die Häftlinge aus dem Gefängnis aus. Nachdem Mantz im Dezember 1526 wieder eingefangen worden war, ging der Rat dazu über, seine Drohung zu vollstrecken. Anders als der Mitgefangene Blaurock hatte Mantz die Urfehde gebrochen, ein feierliches Gelübde, das Taufen Erwachsener nicht fortzusetzen. Er wurde isoliert und am 5. Januar 1527, an Händen und Füßen gebunden, von einem Kahn in die Limmat gestoßen. So wurde er zum ersten und bedeutendsten Märtyrer der Zürcher Täufer.
Seit der Biographie Konrad Grebels, die Harold S. →Bender 1950 veröffentlichte und in der die Protestation irrtümlicherweise Grebel zugeschrieben wurde, ist die Einsicht stetig gewachsen, dass Felix Mantz der Vorläufer eines Täufertums der Sieben Artikel von Schleitheim und der Gütergemeinschaften in Mähren gewesen sei.
Quellen
Leonhard von Muralt und Walter Schmid (Hg.), Quellen zur Geschichte der Täufer in der Schweiz, Bd. 1: Zürich, Zürich 1952. - Leland Harder (Hg.), The Sources of Swiss Anabaptism: The Grebel Letters and Related Documents, Bd. 4: Classics of the Radical Reformation, Scottdale, Pa. 1985.
Literatur
Ekkehard Krajewski, Leben und Sterben des Zürcher Täuferführers Felix Mantz, Kassel 1957. - Calvin A. Pater, Karlstadt as the Father of the Baptist Movement. The Emergance of Lay Protestantism, Toronto 1984. - Walter Schmid, Der Autor der sogenannten Protestation und Schutzschrift von 1524/1525, in: Zwingliana 9, 1950, 139 – 149. - C. Arnold Snyder, The Birth and Evolution of Swiss Anabaptism, 1520 – 1530, in: Mennonite Quarterly Review 80, 2006, 501 – 645. - C. Arnold Snyder, Swiss Anabaptism. The Beginnings, 1523 – 1525, in: John D. Roth und James M. Stayer (Hg.), A Companion to Anabaptism and Spiritualism, 1521 – 1700, Leiden 2007, 45 – 81. - James M. Stayer, Sächsischer Radikalismus und Schweizer Täufertum. Die Wiederkehr des Verdrängten, in: Günter Vogler (Hg.), Wegscheiden der Reformation. Alternatives Denken vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Weimar 1994, 151 – 178. - Andrea Strübind, Eifriger als Zwingli. Die frühe Täuferbewegung in der Schweiz, Berlin 2003. - Alejandro Zorzin, Karlstadts „Dialogus vom Tauff der Kinder“ in einem anonymen Wormser Druck aus dem Jahr 1527. Ein Beitrag zur Karlstadtbibliografie, in: Archiv für Reformationsgeschichte 79, 1988, 27 – 58.
James M. Stayer