Jugendarbeit in der Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden

Als die →Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden (VDM, bis 1934 noch „Vereinigung der Mennonitengemeinden im Deutschen Reich“) 1886 in Berlin gegründet wurde, war die Ausbildung von Pastoren ein Hauptziel des Zusammenschlusses (Heinold Fast, Die Vereinigung, 17). So wird bis heute die theologische Ausbildung unterstützt und die mennonitische Identität in der Jugendarbeit gefördert.

1. Jugendarbeit zwischen den Weltkriegen

Auf Anregung des Missionars Johannes Klaaßen (Heilbronn) fand am 19. September 1920 der Erste Jugendtag in Heilbronn statt. Und es folgten weitere in vielen Städten, auch in den Niederlanden (Elspeet, am 1. Juli 1936 im Rahmen des Weltkongresses), in Polen (Montau, am 10. Juli 1938) und der Schweiz (Les Mottes, am 11. Juni 1939). Wichtig für den Kontakt untereinander war die Mennonitische Jugendwarte, die ab 1920 unter der Schriftleitung von Emil →Händiges (1881–1965) herausgegeben wurde (→Zeitschriften). Händiges war damals auch Vorsitzender der 1919 gegründeten Jugendwohlfahrt der Vereinigung. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit war die Jugendbildung. Seit dem Jugendtag 1928 in Heidelberg wird unter einigen Jugendlichen das starke Interesse wach, sich mehr, als es in den Ortsgemeinden möglich und üblich ist, mit Glaubens-, Zeit- und Lebensfragen auseinanderzusetzen. So entstand die Idee, eine Rundbriefgemeinschaft zu gründen. Waren es 1928 fünf junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren, die zu den „Rundbrieflern“ gehörten, so waren es bis zum Einstellen der Rundbriefe 1940 über 250 Personen aus Deutschland, Holland, Polen, Frankreich, der Schweiz und Südamerika. In verschiedenen Kreisen wurden schriftliche Diskussionen geführt, Zusammenfassungen an die anderen Kreise geschickt und regelmäßige Treffen veranstaltet. Es wurden mennonitische Identität, Wehrlosigkeit bzw. Wehrhaftigkeit, ein Leben in der Nachfolge Jesu, Gestaltung eines aktiven Gemeindelebens, Stellung zum Nationalsozialismus, neuer Aufbruch des Deutschen Volkes und so weiter angesprochen (Vgl. neuerdings Imanuel Baumann, Die „Mennonitische Rundbrief-Gemeinschaft“, 2017).

In Westpreußen gilt Heinrich Bartel, Reichfelde, als „Begründer der Jugendarbeit“. Um die Jugend in der Gemeinde besser wahrzunehmen, gründete er 1921 in der Doppelgemeinde Thiensdorf / Markushof nach dem Vorbild der St. Chrischona Brüder einen „Jugendbund". Neben Bibellese, Singen und Spielen beim wöchentlichen Treffen hin und her in den Häusern machte die Gruppe auch regelmäßig Ausflüge.

Überregional wurde die Jugendarbeit in Westpreußen vor allem durch den Danziger Pastor Erich →Goettner (1899–1945) organisiert. Er initiierte am 23. Oktober 1932 den Ersten Westpreußischen Jugendtag in Steegen an der Ostsee. In der Mennonitischen Jugendwarte wird als letzter der 7. Steegener Jugendtag am 17. Juli 1938 erwähnt.

Den Fragen des Nationalsozialismus versuchten sich die Artikel in der Mennonitischen Jugendwarte auf unterschiedliche Weise zu stellen. Das Verhältnis von Jugend zur Gemeinde und Gemeinde gegenüber Jugend reflektiert Goettner in einem Vortrag, den er am 1. Juli 1936 auf dem „Allgemeinen Mennonitischen Kongreß“ in Elspeet /NL vor niederländischen, deutschen und auch aus anderen Nationen kommenden Jugendlichen hielt und der in der Mennonitischen Jugendwarte abgedruckt wurde (Heft 4, 1936, 87–95).

Mit Ernst Fellmann wurde von 1935 bis 1937 zum ersten Mal ein Jugendwart eingestellt, der für die gesamten Vereinigungsgemeinden zuständig sein sollte. Er ist auch an der Organisation verschiedener Jugendtage im ganzen Deutschen Reich beteiligt. Nach zwei Jahren wurde deutlich, dass die überaus große räumliche und auch geistige Entfernung schwer von einer Person zu überbrücken war, so wurde Aron Mäkelborger (1912–1945) für die Westpreußischen Gemeinden als Jugendwart eingestellt. Auch er war Rundbriefler und auf diese Weise mit süddeutschen Mennoniten verbunden.

Es sind aber nicht nur Männer aktiv, auch immer wieder kommen Frauen in der Jugendarbeit zu Wort, wie die zur Berliner Mennonitengemeinde gehörende Margarete (Grete) Kliewer, geb. Dyck. Sie bereiste Mennonitengemeinden in Süddeutschland, Westpreußen und Polen, schrieb Berichte darüber und hielt verschiedentlich Vorträge. Auch gehörte sie zu den Rundbrieflern. 1939 wanderte sie nach Paraguay aus und wirkte zusammen mit ihrem Mann Fritz →Kliewer im Anliegen „Heim ins Reich“ mit.

2. Nach dem Zweiten Weltkrieg

Beim Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg war für die Jugendarbeit der Einfluss nordamerikanischer Mennoniten auf die deutsche mennonitische →Identität besonders wichtig. Für die kompromisslose Wehrlosigkeit, die radikale Nachfolge Jesu und das verbindliche Leben in der Gemeinde war der Vortrag, den Harald S. Bender auf der mennonitischen Studententagung auf dem Thomashof 1947 hielt, programmatisch (Bender, Das Anliegen des Täufermennonitentums, 64–74) und löste unter den Mennoniten Nachkriegsdeutschlands eine Aufbruchsstimmung, aber auch eine Diskussion aus.

Die Zuwendung der deutschen mennonitischen Jugend zum amerikanisch geprägten mennonitischen Gemeindeleben und Lebensstil begann. Durch die →Paxboys, die in Westdeutschland halfen, Siedlungen für west- und ostpreußische Flüchtlinge zu bauen, gab es viele persönliche Kontakte. In Siedlungen wie Enkenbach, Backnang, Neuwied-Torney, Espelkamp, Bechterdissen, Wedel bei Hamburg und Lübeck-Dornbreite entstanden neue Gemeinden oder Gemeindegruppen, die nicht zuletzt mit Hilfe der Paxboys auch eine aktive Kinder- und Jugendarbeit aufbauten.

Es gingen auch viele Jugendliche von Deutschland aus in die USA und nach Kanada, sowohl als Trainees und Landwirtschaftspraktikanten als auch als Studierende. So kamen neue Impulse aus Amerika zurück in die Gemeinden nach Deutschland. Zu Recht wurde von einem „epochalen Einschnitt“ nach 1945 gesprochen (Peter J. Foth, Hüben und drüben, 5).

3. In den 1940er und 1950er Jahren

Jugendarbeit in Norddeutschland wurde zunächst auch von Wolfgang Fieguth betrieben, der immer wieder den Kontakt zur Süddeutschen Jugendkommission suchte, in der Jungen Gemeinde, der neu gegründeten Zeitschrift, schrieb und auch zum niederländischen Doopsgezinde Jongerenbond Kontakte aufnahm. Nachdem er beabsichtigt hatte, nach Kanada auszuwandern, wurde die Arbeit auf den Theologiestudenten Hans Joachim Wiehler übertragen, den die süddeutsche Mennoniten Jugend unterstützte. Er wurde bald als Jugendwart beauftragt, um beim Aufbau der Jugendarbeit in Norddeutschland mitzuwirken. Unterstützt wurde er vom Pax-Boy Robert „Bob“ Dettweiler. Später folgten der aus Süddeutschland kommende Helmut Funck, ebenfalls zusammen mit Robert Dettweiler, der in Wedel bei Hamburg ansässig war.

Unterstützt durch das →Mennonite Central Committee (MCC) kamen Hilfswerker wie Cornelius Wall, der als väterlicher Freund und Prediger zusammen mit seiner Frau Agnes noch vielen damals Jugendlichen heute in Erinnerung ist. C. Wall, der von den →Mennoniten-Brüdergemeinden entsandt worden war, war zwischen 1948 und 1958 mit einer kurzen Unterbrechung zwei Mal in Deutschland, das zweite Mal dann auch, um die Europäische Mennonitische Bibelschule Bienenberg in der Nähe von Basel im Auftrag des MCC aufzubauen. Kinder- und Jugendfreizeiten und Jugendtage fanden in jener Zeit von Lübeck bis Neuwied, von Krefeld über Bremen und Hamburg bis Berlin statt. Wichtige Erlebnisse waren die Jugendfreizeiten zusammen mit den Süddeutschen auf dem Diemerstein, die ab 1948 einige Jahre lang jeden Sommer stattfanden. Auch wurden mennonitische Studierendentagungen mit verschiedenen Vorträgen (z. B. die 3. Tagung in Ronneburg, Okt 1949, mit den Referenten Theo Glück, Otto Schowalter, Dr. Dirk Cattepoel, Prof. Dr. B. Unruh und dem MCC Mitarbeiter Paul Peachy) durchgeführt. Den amerikanischen Mennoniten lag daran, auch hier theologisch-täuferische Impulse zu setzen und Bildungsarbeit durchzuführen. Auch über die Grenzen hinweg wurden die deutschen Mennoniten wieder aktiv, so nahmen etliche an der Internationalen mennonitischen Friedenskonferenz in Elspeet (Niederlande) 1947 teil. In Krefeld fand ein Treffen der Jugend mit Holländern statt.

In den Gemeinden entstanden überall Jugendgruppen: in Niederbieber-Torney, Köln, Espelkamp, Lübeck, Neumünster (Holstein), Marne (Holstein), Hamburg, weitere in Norden (Ostfr.) Bremen, Krefeld, Kiel, Hannover, Braunschweig und an weiteren Orten, so auch in der Gemeinde Berlin mit ihren Kontakten in die „Ostzone“.

Die Berliner Gemeinde (→Berlin) war lange Zeit die einzige norddeutsche Vereinigungsgemeinde, die zu der Zeit Beziehungen zur Jugendkommission im Süden unterhielt. Schwieriger wurde es nach der Gründung der DDR und dann vor allem nach dem Mauerbau, den Kontakt zu den Mennoniten in der DDR zu halten. Nach der Teilung Deutschlands kamen einige westdeutsche Jugendgruppen nach Berlin. Oskar Wedel veranstaltete in den 1960er Jahren regelmäßig Berlinfahrten zu Pfingstfreizeiten im Menno-Heim mit Besuchen der Gemeinde im Osten. Die Hamburger Jugend fuhr ebenfalls in den 1960er Jahren nach Berlin, auch in den Ostteil Berlins.

4. Jugendarbeit in den 1960er und 1970er Jahren – bis zur Gegenwart

Wichtig für die Jugendarbeit sind die Arbeitseinsätze. Einsätze mit dem MCC und dem →Mennonitischen Freiwilligendienst (MFD, Mennonite Voluntary Service) in unterschiedlichen Ländern Europas bringen die praktische Nächstenliebe ins Bewusstsein der Jugend. So hat der MFD im Sommer 1963 beispielsweise sechszehn Einsätze in den Ländern Österreich, Belgien, England, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Holland, Schweiz organisiert. Ab 1973 führte Peter J. Foth mit Aktion Sühnezeichen einige Arbeitseinsätze im Gebiet der ehemaligen westpreußischen Mennonitengemeinden durch, um Erinnerungs-, Friedens- und Bildungsarbeit im heutigen Polen miteinander zu verbinden. Nach dem Balkankrieg gab es in den 1990er Jahren Einsätze in Bosnien und Rumänien. Bis heute können Jugendliche mit der mennonitischen Organisation →Christliche Dienste im Ausland einen sozialen Dienst ausüben.

Studenten- und Jugendarbeit gehören immer wieder eng zusammen und sind Teil der Identitätsfindung norddeutscher Mennoniten. Im Oktober 1965 organisierte Pastor Dr. Hans-Jürgen Goertz eine anspruchsvolle Mennonitische Studentenkonferenz in Bad Godesberg. Immer wieder wird unter den Studierenden das Thema akademische Ausbildung und christlicher Glaube thematisiert, z. B. auf einer Podiumsdiskussion einer Studententagung in Kaiserslautern zum Thema: „Christlicher Glaube und studentisches Niveau“. Auslöser für die Auseinandersetzung, die durchaus auch kontrovers mit jugendlichen Mennoniten aus Süddeutschland geführt wurde, waren wohl die „Richtlinien der Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden für ihre Theologiestudenten“.

Dass sich die VDM vermehrt um ihre Theologiestudierenden kümmerte und solche Richtlinien erstellte, ging wohl auf eine Theologiestudentengruppe zurück, die 1962 an den VDM-Vorstand einen Brief geschrieben hat, in dem eine Betreuung durch die VDM angemahnt wurde. Daraus entstanden in den folgenden Jahren regelmäßige Theologiestudierenden Tagungen in der VDM, ab Ende der 1970er Jahre auch mit niederländischen Studierenden zusammen. Ende der 1980er Jahre wurde von der VDM eine mennonitische Vikariatsordnung erarbeitet. In den 1990er Jahren wurden die Theologiestudierendentreffen zusammen mit dem →Verband (VdM) im Rahmen und Auftrag der neugegründeten →Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland (AMG) durchgeführt. Angesprochen werden sollten nicht nur an Universitäten studierende Theologinnen und Theologen, sondern auch Bibelschüler und Bibelschülerinnen. Bis heute gibt es diese regelmäßigen Treffen, zu denen mittlerweile Menschen in Theologischen Ausbildungen aus ganz Europa teilnehmen. Ein guter Anknüpfungsort ist dabei die seit 2006 existierende →Arbeitsstelle Theologie der Friedenskirchen an der Universität in Hamburg.

Bereits in den 1960er Jahren gründete sich ein Kreis der Freunde über Zwanzig (FÜZ) aus süd- und norddeutschen Mennoniten. Sie beschlossen etwas für die Arbeit mit Kindern in norddeutschen Gemeinden zu tun. Mehrmals wurde von der Mennonitischen Jugend Norddeutschland (MJN) Ilse Nickel für drei Monate im Sommer angestellt, um Kinderfreizeiten zu organisieren und durchzuführen. Von vielen Ehrenamtlichen wurden ebenfalls jedes Jahr im Sommer Kinder- und Jugendfreizeiten organisiert. Dazu gehörten auch die Freizeiten auf der Nordseeinsel Langeoog, zu denen über viele Jahre von Pastor Dr. Heinold Fast aus Emden auch süddeutsche Jugendliche eingeladen wurden. Von überregionaler Bedeutung sind die Jugendtage, die gemeinsam mit dem Süddeutschen Jugendwerk organisiert werden, auch wenn regelmäßig aus dem Norden weniger Jugendliche kamen als aus dem Süden. Die gemeinsamen süd- und norddeutschen Jugendleiterrüstzeiten z. B. in Göttingen 1962 brachten Möglichkeiten zum Austausch.

Um 1969 wurde von Oskar Wedel die Gründung des Freundeskreises der MJN angeregt. Hier wurden die Erinnerungen an die eigene gute Jugendzeit zu einer Verantwortung für die gegenwärtige Jugendarbeit umgeformt. Mittlerweile ist Marianne Schamp seit vielen Jahren mit in der Organisation des Freundeskreises tätig. Die aktive Begleitung der Jugendarbeit, ein jährlich stattfindendes Wochenende zur eigenen Weiterentwicklung und das Sammeln einer nicht unbeträchtlichen Geldsumme zeichnen diesen nun schon fast 50 Jahre lang aktiven Freundeskreis der MJN aus. So war es möglich, wieder einen Hauptamtlichen anzustellen. Diese neue Phase begann mit dem Jugendwart Hans Werner Jantzen, der aus Brasilien kam und besonders für die Gemeinden Bielefeld, Bechterdissen, Münster und Gronau zuständig war. Er übernahm später auch die Betreuung der Theologiestudierenden. Ihm folgte Viktor Kliewer aus Kanada, der drei Jahre die MJN betreute. Nach einer kurzen Vakanz übernahm der aus Südamerika kommende Peter Klassen die Jugendarbeit. Da es nicht immer einfach war, die Bedürfnisse aller Jugendlichen in den verschiedenen Gemeinden zu befriedigen, stellte die Gemeinde Bechterdissen einen eigenen Jugendwart an. Hier deutete sich schon die spätere Trennung der so genannten WEBB Gemeinden (Wolfsburg, Espelkamp, Bielefeld-Stieghorst und Bechterdissen) von der VDM an. Peter Klassen blieb knapp drei Jahre und seine Arbeit wurde vom aus der französischen Mennonitengemeinde Montbeliard stammenden Jean Jacques Widmer fortgesetzt, der die deutsch-französischen Freizeiten ins Leben rief. Sein Nachfolger wurde Kurt Kerber aus einer Mennoniten-Brüdergemeinde in Neuwied. Auch hier kamen neue Impulse ins Spiel, vor allem die Arbeit mit jungen Erwachsenen (koinonia) und die Einführung der bis heute recht aktiven Familienfreizeiten. Seit Kurt Kerber hieß die Stelle nicht mehr Jugendwart, sondern Jugendpastor. Sein Nachfolger wurde der aus einer süddeutschen Verbandsgemeinde kommende Bernhard Thiessen. Er brachte immer wieder die süddeutsche Frömmigkeit mit der theologischen Auseinandersetzung im Glauben zur Sprache. Aus seinem Mitarbeitendenkreis hat sich ab Ende 1995 ein weiterer Zusammenschluss von Freunden gebildet, die „Mütze“, das sind „Mennos überTreffen Zwanzig eben“. Sie führten jährlich zwei Treffen durch. Auch sie haben sich vorgenommen, nicht nur die Gemeinschaft nach der eigenen Jugendzeit zu pflegen, sondern die MJN finanziell zu unterstützen. Bernhard Thiessen blieb sechs Jahre, sein Nachfolger war der von den Reformierten kommende Michael Habbert. Es gelang ihm jedoch nicht, im norddeutschen Mennonitentum Fuß zu fassen. Die Arbeit übernahm die aus der Rheinischen Landeskirche stammende Martina Basso, und mit ihr wurde der Sitz der MJN, der jahrelang in Hamburg war, an den Niederrhein verlegt. Über sechs Jahre wirkte Martina Basso für die MJN. Ihre Kontakte in die Landeskirche erleichterten es, an den Evangelischen und später auch Ökumenischen Kirchentagen präsent zu sein. Sie kam bewusst zu den Mennoniten und sensibilisierte Jugendliche und Gemeinden erneut für ihre eigene Identität, nämlich Friedenskirche zu sein. Für zwei Monate wurde sie freigestellt, um eine Ausbildung in „Peacestudies“ an der „Eastern Mennonite Summerschool“ zu absolvieren. Dies förderte die Auseinandersetzung der MJN mit der Friedenstheologie. 2007 gründete sich der Freundeskreis 2, dessen Mitglieder sich zu einem thematischen ausgerichteten Wochenende im Jahr treffen und ebenfalls die MJN finanziell unterstützen. Auf Martina Basso folgte Dietmar Claaßen als Jugendreferent. Der aus der Mennonitengemeinde Bechterdissen stammende Sozialpädagoge hatte zuvor, gefördert vom Mennonitischen Hilfswerk, mit jugendlichen Spätaussiedlern in Berlin gearbeitet. Da er auch als Spiel-und Theaterpädagoge ausgebildet war, wurde einer seiner Schwerpunkte die Theaterarbeit. Sein Nachfolger wurde Jens Martin Krüger. Er kam aus der Berliner Mennonitengemeinde und hatte bereits als Sechszehnjähriger selbstständig MJN Freizeiten geleitet. Er hat die überkonfessionelle Jugendleiterausbildung für alle MJN Mitarbeitenden angeregt und ist mit seinem virtuosen Gitarrenspiel vielen in Erinnerung geblieben.

Durch zwei halbe Stellen sollte die Jugendarbeit näher an die Gemeinden gerückt werden. Dies Konzept gelang nur bedingt. Für fast vier Jahre wurde die von der Rheinischen Ev. Landeskirche kommende Theologin Nathalie Eylith,die für ihre herausfordernden Bibelarbeiten auch über den Kreis der MJN hinaus bekannt wurde, halb als Jugendpastorin der MJN und halb als Gemeindereferentin der Gemeinde Krefeld angestellt. Die zweite halbe MJN-Stelle war für Berlin vorgesehen, konnte aber nicht besetzt werden. Für einige Monate übernahm Georg Büsch (Ev. Luth. Kirche) die Arbeit in Hamburg. Doch er konnte als mennonitischer Jugendreferent nicht heimisch werden. Nun versieht Anna Gass (ebenfalls Ev- Luth. Kirche) die MJN-Stelle. Sie ist parallel dazu in ihrer letzten Phase des Theologiestudiums an der Universität Hamburg, wo sie auch Friedenstheologie studiert hat.

Als Information der MJN an Kinder und Jugendliche erscheint regelmäßig die „Menno-Post" herausgegeben vom Jugendreferent bzw. von der Jugendpastorin. So soll Kontakt zwischen den Freizeiten gehalten und auf neueste Entwicklungen aufmerksam gemacht werden. Auch wird ein jährlicher Freizeitprospekt herausgegeben. Die Jugendkommission begleitet und verantwortet gegenüber der Vereinigung die Jugendarbeit.

Die Stellung der Jugendarbeit in der VDM hat sich im Laufe der Jahre gewandelt, nicht zuletzt dadurch, dass nicht nur die Freundeskreise, sondern zunehmend auch die Gemeinden an der Finanzierung der Jugendarbeit beteiligt wurden. Konnte der damalige Vorsitzende Dr. Gerhard Hildebrandt seinen Rückblick 100 Jahre VDM noch ohne das Stichwort Jugendarbeit schreiben, so steht im Heft „Auf dem Weg – 125 Jahre Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden“ die Jugendarbeit als Aufgabe der VDM an erster Stelle. Man hat erkannt, dass eine gute Gemeindearbeit immer auch eine gute Kinder- und Jugendarbeit sein soll. So wird dem § 7 der alten VDM-Satzung von 1959 Rechnung getragen, „ferner das mennonitische Haus, die christliche Jugenderziehung und die religiöse Betreuung der schulentlassenen Jugend (zu) pflegen".

5. Identitätsbildung durch die Jugendzeitschrift Junge Gemeinde

Die Entwicklungen in der Mennonitischen Jugend wurden in der seit 1948 wieder erscheinenden mennonitischen Jugendzeitschrift unter dem neuen Namen Junge Gemeinde – Aus der Jugendarbeit der deutschen Mennonitengemeinden dokumentiert und diskutiert. Zunächst ist das in Karlsruhe gedruckte Blatt eine Jugendbeilage im süddeutschen Gemeindeblatt der Mennoniten. Es wurde bald eine eigene Zeitschrift, die von den süddeutschen Mennoniten gefördert, auch an Mennoniten in Norddeutschland geschickt wurde. Das hatte zum Ziel, die Kinder und Jugendlichen aus Flüchtlingsgemeinden besser zu integrieren. Schließlich wurde die junge gemeinde – mennonitisches Forum: Glaube und Gesellschaft von Norddeutschland aus gestaltet, bis ihr Erscheinen 2003 eingestellt wurde.

Es wurden politische Themen, auch Themen rund um Liebe, Keuschheit, Sex und Ehe behandelt. Das allerdings am häufigsten angesprochene Thema geht im weitesten Sinne um den Frieden. Seit der Friedenskonferenz in Elspeet 1947 und der Studententagung auf dem Thomashof ebenfalls 1947 ging es immer wieder um Fragen wie die täuferischen Wehrlosigkeit, die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, die Wiedereinführung der Wehrpflicht bzw. die eingeführte Möglichkeit zur Kriegsdienstverweigerung, später die Aufrüstungsdebatte in den 1980er Jahren, die Kriegssteuerverweigerung und die Totalverweigerung des Ersatzdienstes. So wurde diese Zeitschrift zu einem repräsentativen, identitätsstiftenden Organ für viele deutsche Mennoniten.

6. Ausblick

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde durch die Kriegserfahrungen die mennonitische Identität in der Jugendarbeit besonders von nordamerikanischen Mennoniten geprägt. Mitte der sechziger Jahre fand die MJN langsam zu einer eigenen Identität und bemühte sich darum, einen Bezug zwischen der Jugendarbeit und den Gemeinden herzustellen und unter den schwierigen Bedingungen der Diasporasituation der Gemeinden zu pflegen. Wichtig werden dabei das friedenskirchliche Zeugnis und die regionale und überregionale Vernetzung der Jugendlichen bleiben. Verheißungsvoll sind auch Bemühungen, die Jugendarbeit in Nord- und Süddeutschland immer wieder miteinander zu verbinden.

Literatur

Heinold Fast, Die Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden 1886 – 1961, Weierhof (Pfalz) 1961. - Imanuel Baumann: Die „Mennonitische Jugend-Rundbrief- Gemeinschaft“ und die nationalsozialistische „Machtergreifung“, in: Mennoniten in der NS-Zeit, Stimmen, Lebenssituationen, Erfahrungen, hg.von Marion Kobelt-Groch und Astrid von Schlachta, Weierhof, 2017, 90 – 107. - Diether Götz Lichdi, Mennoniten im Dritten Reich, Weierhof 1977, darin bes. Kapitel 3. 2, Jugendarbeit 74–79. - Erich Goettner, Die Mennoniten und die Jugend, Vortrag, gehalten in Elspeet/ Niederlande, beim Allgemeinen Mennonitischen Kongreß am 1. Juli 1936, in: Mennonitische Jugendwarte, 16. Jg., Heft 4 (August 1936), 87–95, hier 94. - Peter J. Foth, Hüben und Drüben – Der Einfluss der amerikanischen auf die europäischen Mennoniten seit 1945, in: Mennonitisches Jahrbuch 2000, 55–60. - Harald S. Bender, Das Anliegen des Täufermennonitentums innerhalb der Reformationsbewegung, in: Botschaft und Nachfolge, Berichte und Vorträge der mennonitischen Studententagung auf dem Thomashof 1947, zusammengestellt von Theo Glück, hg. von der Konferenz der Süddeutschen Mennoniten, Karlsruhe, 1948, 64 – 74. - Richtlinien der Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden für ihre Theologiestudenten, in: junge Gemeinde, Jugendblatt der Mennonitengemeinden in Deutschland 16. Jg., Nr. 8, Karlsruhe, 1963, 116 f. - Gerhard Hildebrandt, Die Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden. Ein Abriß ihrer hundertjährigen Geschichte, in: Mennonitisches Jahrbuch 1986, Ludwigshafen a. R., 1986, 23–29. - Corinna Schmidt (Hrsg.), Auf dem Weg – 125 Jahre Vereinigung der deutschen Mennonitengemeinden, o. O., April 2011, bes. 53. - Bernhard Thiessen, Mit dem Pulmino über den Brenner – Ein Ex-Jugendpastor erinnert sich, in: Mennonitisches Jahrbuch 1997, hg. von der AMG, Lahr 1997, 97 -100.

Bernhard Thiessen

 
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